Rezension

PJ Harvey

The Hope Six Demolition Project


Highlights: The Community Of Hope // Chain Of Keys // The Wheel
Genre: Art Rock // Folk
Sounds Like: Patti Smith // Cat Power // Björk

VÖ: 15.04.2016

Mit ihrem 2011er-Album „Let England Shake“ hat PJ Harvey sich ein Stück weit eine Bürde aufgelastet. Das Album ist ein solches Meisterwerk, dass der Nachfolger nur schwerfallen kann. In sich geschlossen und dicht ein äußerst schweres Thema (1. Weltkrieg) mit solcher Leichtigkeit und Tiefe zugleich zu verarbeiten, das ist in der Musikgeschichte selten gelungen und künstlerisch herausragend. Es ist eines der Alben aus dieser Dekade, die bleiben werden. Fünf Jahre hat es gedauert bis zum Nachfolger, und hier geht Polly Jean Harvey gerade künstlerisch noch ambitioniertere Wege und zeigt, dass "so gut es geht" für sie gerade genau gut genug ist.

So gab es durch einseitig verspiegelte Scheiben den Aufnahmeprozess der Platte für einige Glückliche im letzten Frühjahr im Londoner Somerset House zu beobachten. „Recording in progress“ hieß das Ausstellungskonzept. Neue Wege im künstlerischen Prozess, neue Wege auch in der Welt. PJ Harvey hat einige Zeit im Kosovo, in Afghanistan und in Washington D.C. verbracht, Reisen, die sie sehr geprägt haben, und aus denen dieses Werk entstanden ist. War sie in ihren jungen Jahren noch selbstkritisch über ihre nicht nach außen getragene politische Haltung, so ist ihre Kunst nun nichts als der Ausdruck dieser.

Und dieser Ausdruck ist gewaltiger als zuvor, „The Hope Six Demolition Project“ ist eine härtere Platte als „Let England Shake“. Ein Song wie „The Ministry Of Defence“ hätte sich auf dem Vorgänger wohl nicht eingefügt. Der Opener „The Community Of Hope“ jedoch sehr, ein klassischer PJ-Harvey-Song, roh instrumentiert, knackig, auf den Punkt. Immer weniger ist PJ Harvey mit anderen Künstlerinnen zu vergleichen, immer mehr nur eine Referenz auf sich selbst. Eine dieser Künstlerinnen mit dem besonderen Etwas, das in seiner Tiefe durch die ernsten Herren an ihrer Seite mit ihren tiefen Gesängen perfekt untermalt wird.

„The Wheel“ etwa, der bereits am längsten bekannte Song, ist in seiner Wuchtigkeit kaum zu überbieten. Eines der klaren Highlights der Platte. Harvey selbst sagt, wenn sie einen Song schreibe, stelle sie sich die „gesamte Szenerie“ vor. Gerüche, Gefühle, Licht, Schatten. Sie ist an die Orte gereist, die der Inspiration der Platte dienten, um genau zu spüren, worüber sie schreibt. Diese Stimmungen schafft sie abermals in ihrer Musik zu transportieren. „The Hope Six Demolition Project“ ist ein großes Kunstprojekt – „Project“ steckt auch schon im Titel – voller guter Songs.

Doch im Vergleich zum großen, großen Vorgänger sind die transportierten Stimmungen innerhalb der Platte nicht konsistent genug für ein Meisterwerk; während die Songs in sich stark und stimmig sind, ist es die Platte im Ganzen nicht in vollem Maße. Doch das sind geringfügige Abzüge eines abermals einzigartigen, tollen künstlerischen Projektes, das PJ Harveys Geschichte als absolute Ausnahmekünstlerin, die noch lange wichtig sein wird, untermalt. In Zeiten, in denen immer mehr großartige Künstler aus vergangenen Generationen von uns gehen, ist es beruhigend zu sehen, dass andere noch mitten in ihrer Geschichte stecken.

Daniel Waldhuber

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