Rezension
PJ Harvey
Let England Shake
Highlights: Let England Shake // The Glorious Land // The Words That Maketh Murder
Genre: Folk // Art Rock // Multi-Instrumental
Sounds Like: Patti Smith // Cat Power // Shannon Wright
VÖ: 11.02.2011
PJ Harvey veröffentlicht dieser Tage eine auditive Tragikomödie, die auf sarkastische Weise beim ersten Anhören beschwingter und fröhlicher wirkt, als man es von ihr gewohnt ist, bei genauerem Hinhören aber alles andere als leichte Kost ist. Auf „Let England Shake“ beschäftigt sich die mittlerweile 41-jährige mit dem Thema Krieg. Nicht, dass sie nicht schon früher bemerkt hätte, in welcher grauenvollen Welt wir leben, umgeben von Feindschaften und Blutbädern. Sie brauchte ihre Zeit, bis sie sich auch in ihren Liedern damit auseinander setzen konnte: "Ich habe mein Leben lang die Konflikte in vielen Ländern der Welt verfolgt, doch ich musste als Songschreiberin erst sicher werden, um mich mit diesem Thema befassen zu können."
Zwei Jahre lang hat sie an den Texten für „Let England Shake“ geschrieben. Bewaffnet mit Geschichtsbüchern hat sie lange Zeit damit verbracht, über die kriegerische Vergangenheit Englands nachzuforschen. Erst als sie mit den Lyrics zufrieden war, komponierte sie die Lieder. Bei der Umsetzung verhalfen Polly Jean Harvey ihr langjähriger Partner John Parish, der Sänger und Schlagzeuger Jean-Marc Butty und der Multiinstrumentalist Mick Harvey zu den passenden Liedern für ihre Texte. Aufgenommen wurde das Album im April und Mai 2010 in einer Kirche im Südwesten Englands. Das wichtigste Instrument für PJ Harvey war dabei eine Akkordzither, außerdem spielt sie in vielen Songs Saxophon und Gitarre. Ergänzt wird sie durch die Stimmen ihrer Mitmusiker und deren Instrumente: Orgel, Klavier, Posaune, Trompete, Mundharmonika, Drums, Xylophon und viele mehr.
In einigen Songs griff PJ Harvey auf bereits bestehende Lieder zurück. Im Opener „Let England Shake“ beispielweise übernahm sie die Melodie vom 1953 veröffentlichten Song „Istanbul (Not Constantinopel)“ der Kanadier The Four Lads. John Parish spielte die Melodie auf dem Xylophon neu ein. „The Glorious Land“ enthält nicht nur Auszüge aus „The Bed's To Big Without You“ von The Police, sondern auch kurze Einspielungen eines Jagdhorns aus einem Regimentsmarsch. Unerwartet fröhlich wirkt es, als ob eine festlich gekleidete Kavallerie angeritten käme. Die Lyrics sind weder fröhlich noch festlich. „What is the glorious fruit of our land?“ fragt Harvey da, und im Chor, der wie von Kinderstimmen gesungen klingt, wird geantwortet: Dessen Frucht sind entstellte und verwaiste Kinder!
Durch die stoische, eingängige Melodie in „The Words That Maketh Murder“, dessen reiche Instrumentierung und den mehrstimmigen Gesang von PJ Harvey, John Parish und Mick Harvey wirkt auch dieses Lied sarkastischer Weise wie ein bunter Militärumzug, der nicht veranstaltet wird, um den Toten zu gedenken, sondern um einen Feiertag für die Lebenden zu zelebrieren. Auf beeindruckende und verstörende Art und Weise lässt PJ Harvey auf „Let England Shake“ trotz inhaltlicher Schwere immer wieder leichte und fröhliche Melodien die Texte umspielen, und provoziert damit den Hörer, der um das Konzept des Albums Bescheid weiß, selbst tiefer in die Thematik einzusteigen und sich mit dieser auseinander zu setzen.
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