Rezension

Phoenix

It's Never Been Like That


Highlights: Consolation Prizes // Rally // One Time Too Man
Genre: Pop
Sounds Like: I Am Kloot // The Strokes // The Housemartins

VÖ: 12.05.2006

Sie haben es getan. Überraschend schnell. Mit einem neuen Phoenix-Album hatte ich wirklich noch nicht gerechnet. Allgemein gilt das dritte Album einer Band als kritisches Album, bei dem die Erwartungen hoch sind und eine Band Gefahr läuft, sich zu wiederholen. Negative und positive Beispiele gibt es zuhauf.

Stellen wir die Erwartungshaltung klar an dieses dritte Phoenix-Werk: Funky Songs mit Gitarre und Keyboard, tanzbarer Indiepop jenseits von Post-Punk-New-Wave Radio 4 trifft Franz Ferdinand. Zuckersüße Melodien, chillige Texte mit denen man den Sommer – auch wenn er ins Wasser hätte fallen sollen – übersteht. Das alles in perfekt durchproduziertem Gewand.

Die Musikgazetten verbreiteten, das Album sei anders, rau, einfacher, nicht so verspielt, also überraschend schnell produziert und auch inhaltlich überraschend; was stimmt. Aber dennoch liefern Phoenix – spätestens beim zweiten vollständigen Hörvorgang – das, was wir von ihnen wünschen. Melodien zum Cruisen, Songs zum Genießen. Erwartungen erfüllt, aber nur teilweise. „It’s Never Been Like That“ enthält neun wunderbare Indie-Rock-Pop-Perlen – schöne, hochmelodische Stücke im klassischen Setup Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang – und einen Instrumentaltrack. Die erwarteten Keyboard- und Synthesizer-Sounds sind so selten, dass sie im Booklet nicht einmal Erwähnung finden. Dies soll (so die Band) dem Live-Sound näher kommen. Näher vielleicht, doch ist dieser in der Tat noch deutlich rockiger, nach vorne gehend, begeisternd und tanzbarer.

Mit „Long Distance Call“ wurde erneut der eingängigste Song eines Phoenix-Albums als Single ausgekoppelt. Damit kann ein jeder nachvollziehen, was ihn erwartet. Die Gitarren knarzen, die Melodie schleicht sich um uns rum und führt uns cruisend in den Sonnenuntergang. Nicht das mitreißendste Stück, das Phoenix bisher veröffentlicht haben, aber gut. Der Sound lebt von der unverwechselbaren, dies Mal klar nach vorne gemischten Stimme von Thomas Mars, dessen französischer Akzent mit den Sex-Appeal von Phoenix ausmacht. Offensichtliche Überraschungen sind selten. Sie eröffnen sich erst in den Tiefen der Tracks beim wiederholten Hören – bis auf „North“, das einen sofort auf dem falschen Fuß erwischt. Nach zwanzig Minuten hat man sich eingelebt in der neuen Phoenix-Welt oder enttäuscht ausgeschaltet. Dann kommt er, der Instrumentaltrack mit fünf Minuten. Vielleicht ein Fülltrack, unter Umständen ernst gemeint. Er ist gut, aber viele Bands würden so etwas nicht veröffentlichen und Mogwai und Kante hätten daraus mehr gemacht. Aber gerade Mogwai sind es, an die ich dabei denken muss. Es ist eine ruhig dahin fließende Nummer, die ohne große Höhen und Tiefen einen beruhigenden Einfluss hat, sich aber live sicher gut dekonstruieren und „verlärmen“ lässt. Das können Phoenix ja auch. Aber das ist nur ein verwirrender Ausreißer, der die Qualität des Albums nicht beeinflusst. Rau hymnischer Gitarrenpop bestimmt es mit so tollen Pop-Nummern wie „Consolation Prizes“, „Rally“ und „One Time Too Many“ sowie sperrigen Stücken der Marke „Napoleon Says“ oder „Lost & Found“. Wenn bei letzterem die Akustik-Gitarre einsetzt, drängen sich I Am Kloot und die Go-Betweens (R.I.P. Grant McLennan) als Referenzen auf, die einem früher bei Phoenix kaum in den Kopf gekommen wären. Dass der Rausschmeißer „Second To None“ noch einmal überrascht, ist ausschließlich den ersten Takten geschuldet, die bei Jimmy Eat Worlds „The Middle“ abgekupfert zu sein scheinen.

Was bleibt? Ein Album von Freunden über das Gehen und Kommen von Freunden, echten, falschen, alten und neuen. Ein Album einer „Rock“-Band, die weiß, was Soul und Seele in der Populär-Musik bedeuten. Einer Band, die wie kaum eine andere die Ambivalenz der Emotionen Freude und Trauer, Euphorie und Sentimentalität in Musik übersetzen kann. Ist das zu wenig? Nein, das ist verdammt viel.

Und wenn da einige Vergleiche mit den Housemartins anstellen, dann ist das weit daneben und doch ein Volltreffer.

Oliver Bothe

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