Rezension

Lykke Li

I Never Learn


Highlights: I Never Learn // Gunshot
Genre: Indie-Pop // Dark Wave
Sounds Like: El Perro del Mar // Dillon // Stina Nordenstam

VÖ: 02.05.2014

Eigentlich sind die Wintermonate gerade vorbei. Mit ihnen verschwindet jegliches Grau aus dem Alltag, die Sonne weckt alle müden Geister, schüttelt die Winterschläfer wach und der Winterblues weicht den Frühlingsgefühlen. Eigentlich. Gäbe es da nicht diese eine Sache, die keine Jahreszeiten kennt und sich nicht sagen lässt, wann und ob sie erwünscht ist, denn das ist sie im Prinzip nie. Sie bleibt von Wind und Wetter unbeeindruckt, kommt und geht mit oder ohne Sonnenschein und bringt stets eine ordentliche Portion Dunkelheit mit. Gemeint ist natürlich der Liebeskummer. Auch die Schwedin Lykke Li blieb nicht von ihm verschont und bringt mit „I Never Learn“ ein Album heraus, mit dem der Mai zum Dezember und Liebe zu einem grausamen Gefühl wird.

„I had his heart but I broke it every time“, singt Lykke in „No Rest For The Wicked“, dem Song, der als Schlüssel des Albums dienen soll. Das erst einmal festgestellt, ist die Richtung der Lieder tatsächlich nicht mehr zu ändern. Mit jedem weiteren Track werden die Tiefs und tieferen Tiefs einer vergangenen Liebe besungen, die – sich mal in einem Traum der Wiedervereinigung („Just Like A Dream“), mal in einem Ausdruck unzureichender Gefühlsbekundung („Love Me Like I'm Not Made Of Stone“) äußernd – Lykke immer weiter in die Traurigkeit ziehen. Mit „Heart Of Steel“ wird dem Pathos, der bis zu diesem Punkt schon recht beachtlich ist, mit einem Gospelchor im Refrain noch eine Zugabe gewährt. Es überrascht somit auch nicht, dass der letzte Song „Sleeping Alone“ der Traurigkeit der anderen textlich wie melodisch in nichts nachsteht.

Doch ist es besonders das Melodische, das bei „I Never Learn“ auffällt – oder eben nicht. Ja, die Songs sind ausdrucksstark und transportieren viel Gefühl (vor allem von Traurigkeit und Sehnsucht), aber hört man sich Lykke Lis drittes Album, das als Konzeptalbum und letzter Teil einer Trilogie verkauft wird, intensiv an, ist es ebenso schnell vorbei, wie es begonnen hat. Komischerweise rauschen die einzelnen Songs nur so an einem vorbei. Hat man sich bis zur Hälfte durchgehört, ist der Anfang schon wieder vergessen, obwohl der Opener und titelgebende Song „I Never Learn“ mit seinen für Li eher untypischen Gitarrenklängen durchaus stark beginnt. Das nächste Mal wird man erst in der Mitte der Platte wieder hellhörig, wenn in „Gunshot“ eine andere Stimmung als die des dauerhaften Liebeskummers vermittelt wird. Hier singt sie nach wie vor vom Herzschmerz, das jedoch deutlich rhythmisierter, durchdachter, einprägsamer. Ab der zweiten Hälfte des Albums hat man dann aber wieder das Gefühl, nichts Neues gehört zu haben. Alles klingt ein wenig nach verkappter B-Seite von „Wounded Rhymes“.

Man sollte sicherlich kein zweites „Youth Novels“ erwarten, das mit seinen beatigen Tracks einen Kracher nach dem anderen lieferte, und auch ein weiteres „Wounded Rhymes“ wäre falsch, doch es ist schon eine gewisse Portion Ironie dabei, dass sich Lykke Li dazu entschloss, ihr drittes Album „I Never Learn“ zu nennen. Man hat gewissermaßen das Gefühl, dass sie nicht nur aus der gescheiterten Liebe nicht dazugelernt hat – die Texte schicken den Hörer schließlich auf eine Reise des Nachtrauerns, der Reue und der Schuld –, auch die Lieder an sich bilden nicht unbedingt das bahnbrechende Konzeptalbum, das das Etikett einer Trilogie rechtfertigen würde. Dennoch ist „I Never Learn“ ein durchaus gutes Album. Besonders, wenn einem im Mai mal weniger nach Frühlingsgefühlen, als eher einem ordentlichen Winterblues ist. Solange man sich nicht im Trübsal verliert, ist alles erlaubt.

Doreen Stoecke

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