Rezension

Kraftklub

Keine Nacht Für Niemand


Highlights: Chemie Chemie Ya // Hausverbot (Chrom & Schwarz)
Genre: Indierock // Rap
Sounds Like: K.I.Z. // The Hives // Die Ärzte

VÖ: 02.06.2017

Es ist eben doch nicht jede Publicity gute Publicity. Mist aber auch, Kraftklub: Da kommt man für die Vorabsingle "Dein Lied" zur voll kontroversen Entscheidung, dass Slutshaming in pseudo-epischer Songform ja auch mal ganz geil sein könnte und was passiert? Schon ist bei all jenen, die nicht gerade an der traurigen Schnittmenge von kleinem IQ und kleinem Penis leiden, das Bild der Chemnitzer als zumindest harmlos-netter Festival-Anheizer mal sowas von aus dem Rahmen geplumpst.

Doppelter Mist: Welches Chick will sich denn jetzt noch an sich ganz originelle Liebeslieder wie "Leben Ruinieren" oder "Am Ende" von jemandem anhören, der die potentielle BFF einen Atemzug vorher noch als Hure bezeichnet hat? Da grooven Kraftklub den Karren dann auch nicht mehr aus dem Dreck, indem sie auf ihrem dritten Album zumindest mal aus dem Schema ausbrechen, Indierock des letzten Jahrzehnts mit dem Rap-Defibrillator wiederbeleben zu wollen und mal mit Funk, mal mit 80er-Synthiepop herumspielen. Wenn die besten Zeilen auf "Keine Nacht Für Niemand" dann von Sven Regener, den Ärzten oder Deichkind geklaut sind, wirken darüber hinaus auch die musikalischen Vorbilder schnell wie bloße Diebstahlsopfer — Samples hin, Intertextualität her.

Jetzt mag man sowohl "Dein Lied" als auch die Meister-Langfinger-Features beim Songwriting als Spaß oder Ironie verteidigen. Letztere scheinen Kraftklub aber nur unter Zuhilfenahme eines ganzen Bataillons an Holzhammern zu beherrschen, was Songs wie "Fenster" oder "Sklave" verdeutlichen. Ganz im Gegenteil funktionieren Kraftklub auf "Keine Nacht Für Niemand" aber gerade dann doch noch ziemlich gut, wenn sie es mit vollem Ernst nicht ernst meinen, wenn sie in "Hausverbot (Chrom & Schwarz)" aus dem Club fliegen, ihre Rückkehr in "Band Mit Dem K" religiös überhöhen oder im cleveren "Venus" mehr HipHop-Klischees auf einen Song schmeißen als Sido Fuffies in den Club. Und für ein Wortspiel wie "Chemie Chemie Ya" dürft ihr dann auch ruhig mal in Ol' Dirty Bastards Grab wühlen. Die Misogynie lasst ihr dann aber in Zukunft bitte drin liegen.

Jan Martens

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Video zu "Sklave"
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