Rezension

Karamel

~


Highlights: Unter Meiner Zunge // Die Große Explosion // Heilige Zur Rechten Zeit
Genre: Dunkler Indiepop
Sounds Like: Delbo // Sons Of Noel And Adrian // Maximillian Hecker

VÖ: 25.01.2013

Man mag es für ironisch halten, dass ein gefragter Produzent wie Johann Scheerer aus seiner Arbeit ganz besonders folgenden Grundsatz mitgenommen zu haben scheint: Weniger ist oft mehr. Dies könnte man zumindest auf Grundlage seiner eigenen Band Karamel und nun insbesondere „~“ vermuten. Was hier zunächst Beschreibungen wie „minimalistisch“ oder – passend zum Bandnamen – „zäh“ evozieren mag, ist in Momenten wie im tollen „Unter Meiner Zunge“, in denen der Hall einzelner Gitarrennoten die restliche Instrumentierung wie eine dunkle Decke einhüllt, jedoch vor allem eines: eindringlich.

Dieser Effekt wird dadurch noch vergrößert, dass die Musik hier – vielleicht noch mehr als auf dem ebenfalls sehr auf die Wirkung weniger, prägnanter Geräuschstrukturen konzentrierten Vorgänger „Maschinen“ – auch stets als Fundament von Scheerers Texten gesehen werden muss, die oft so kryptisch wie überdeutlich sind. Es mag ein Zufall oder der bereits erwähnten, gefühlten Zähigkeit des Albums geschuldet sein, dass die Vokabel „Zeit“ ein durchgehendes Motiv in „~“ bildet – von „Vielleicht Vergeht Die Zeit Ja Mit Dir“ über „Gesetzlose Zeit“, das wohl die markanteste Schreibmaschinenpercussion der letzten Jahre aufweist, hin zum sanft-resignierenden „Heilige Zur Rechten Zeit“.

Was hier jedoch zehn so sparsam wie intelligent arrangierte und zumeist bedrückende Stücke gewissermaßen wie die Tilde des Albumtitels verbindet, ist „Die Große Explosion“: Ein Song, der betont, dass auch Unglücksfälle meist den eigentlichen Kern des Menschen unversehrt lassen, getragen von der stärksten Annäherung an einen Indiepop-Ohrwurm, den Karamel wohl jemals schaffen werden und wollen. Unterstützung erhält Scheerer dabei von zwei Mitgliedern der Krautrock-Epigonen Faust. Diese haben bereits 2009 Karamel gecovert und gehörten damit zu den viel zu wenigen, die dieser Band bislang ihre verdiente Aufmerksamkeit beibrachten. Auch wenn „~“ vielleicht noch stärker an den Hörgewohnheiten vieler vorbeigehen mag als beispielsweise „Schafft Eisland“, mögen dies doch in Zukunft bitte mehr werden. „Weniger ist mehr“ gilt eben auch nicht immer.

Jan Martens

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