Rezension

Karamel

Schafft Eisland


Highlights: Sag mal, Johann... // Schmerz // Kopf/Kristall
Genre: Herz-Schmerz-Pop
Sounds Like: Click Click Decker // Okkervil River

VÖ: 17.08.2007

Karamel machen es einem aber auch wirklich einfach. Da hört man und hört und hört, und dann ganz am Schluss flüstern sie einem ins Ohr, was gut und gerne als Fazit des Albums gelten könnte: "Was bleibt, ist Schmerz."

Sänger und Karamel-Frontmann Johann Scheerer schüttet uns auf dem zweiten Studioalbum der Hamburger Band sein Herz aus. "Sag mal, Johann, kann es sein, dass du ständig müde bist? Und ist es möglich, dass kein Schlaf hilft und du irgendwas vermisst?", heißt es da zum Beispiel in einem der Highlights "Sag mal, Johann...". In elf Songs (+Intro) erzählt er uns mit einem sehr schönen Gefühl für die deutsche Sprache von seinem Leid. Und "schönes Gefühl" bedeutet dabei, dass dem Hörer Satzfetzen im Kopf bleiben, dass Scheerer Bilder entwirft, die vom Hörer interpretiert werden wollen, und dass das Klangbild bei den ersten Hördurchgängen häufig mehr wert ist als das Verstehen dessen, was eigentlich im Ganzen gesagt wird.

Entgegen seinem Titel ist "Schafft Eisland" kein kaltes Album. Zwar ist die Instrumentierung vordergründig häufig auf Akustik- oder E-Gitarre reduziert, aber Scheerers ruhiger, ausgeglichener Gesang wirkt dem entgegen. Dadurch fühlt man sich dem Sänger sehr, sehr nahe, fast so als wäre er ein Freund, der einem seine Geschichten von Angesicht zu Angesicht erzählt. Im Hintergrund - und hier sind wir bei der Langzeitwirkung - tut sich dagegen wesentlich mehr. Krachen und fiepen sind nur zwei Begriffe, die versuchen, das zu beschreiben. Zumindest zu einem Teil ist dafür Thies Mynther zu danken, der auch für die Pianoparts verantwortlich ist. Ebenso gelungen ist die Gitarrenarbeit von Sebastian Nagel. Tatsächlich verpassen die Beiden dem Album einen Anstrich, der durchaus als für das Genre ungewöhnlich experimentell bezeichnet werden darf.

Das bringt uns auch direkt zu der negativen Seite des Ganzen. Abwechslungsreich wird "Schafft Eisland" durch gelegentliche Wutausbrüche. Von der Songstruktur her bewegen wir uns damit schon sehr nahe bei Okkervil River, nur dass bei den Texanern auch diese Stellen problemlos gelingen. Karamel tun sich da zumindest teilweise noch etwas schwer. Sobald aber die nächste Ballade anbricht, ziehen wir uns wieder die Bettdecke über den Kopf und wischen uns eine Träne aus dem Gesicht.

Matthias Kümpflein

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