Rezension
Karamel
Maschinen
Highlights: Ist Es Nicht Mühsam? // Desaster 2 // Tritt Kerben In Den Asphalt 3 // Maschinen
Genre: Alternative // Indie-Rock
Sounds Like: Delbo // Klez.E // Radiohead // Voltaire
VÖ: 17.04.2009
Was für eine gewichtige Rolle Gesang und Text in der Musik einnehmen, wird wohl hierzulande besonders deutlich, wenn man die Position betrachtet, die manche deutschsprachige Bands innehaben. Man vergleiche deutsche Bands wie Kettcar und Tomte mit musikalisch recht ähnlich strukturierten, jedoch englischsprachigen Bands wie Nada Surf oder den Weakerthans: Erstere werden von vielen Musikliebhabern entweder geliebt oder regelrecht gehasst, denen Vertreter der zweiten Kategorie dafür häufig schlicht und einfach egal sind - einfach deswegen, weil textliche Inhalte den Hörer, wenn sie in seiner Muttersprache vorgetragen sind, "aggressiver" und unvermittelter treffen, ihn entweder gleich berühren oder über die ihn kalt lassenden Lyrics den Kopf schütteln lassen.
Dieser Fakt macht es, gepaart mit der Beobachtung, dass sich bei Karamel musikalisch zunächst vieles eher unmerklich im Hintergrund abzuspielen scheint, schwierig, ein Album wie "Maschinen" nicht als erstes unterbewusst im Hinblick auf Johann Scheerers Gesang und die von ihm behandelten Themen untersuchen zu wollen. Beispielhaft für diese Überlegungen ist das knapp sechsminütige "Desaster 2": So sind zu Beginn des Songs die sanft gespielten Gitarrenakkorde so sanft-dezent gehalten, dass selbst Scheerers Aspirationsgeräusche teils deutlicher als jene hervorzutreten scheinen und man gar nicht anders kann, als die Aufmerksamkeit zunächst dem mitnehmenden Hilferuf, den der Text von "Desaster 2" darstellt, zu widmen. Erst bei mehrmaligen Hörgängen werden die vielen Soundschichten bemerkt, die Karamel dem Fundament des Songs nach und nach hinzufügen.
Nach einem ähnlichen Schema verlaufen auch der dunkle Moll-Opener "Sorge" oder das wabernde "Tritt Kerben In Den Asphalt 3": Dadurch, dass die Songs in ihren Anfängen gerne ruhig, eher simpel strukturiert und "einspurig" erscheinen, fällt oft erst spät auf, zu was für vielseitigen, mit entdeckenswerten Details gespickten Songmonolithen viele der Lieder auf "Maschinen" häufig im Laufe der Minuten mutieren und dass man es hier mit einem der wenigen deutschsprachigen Alben zu tun hat, an denen Thom Yorke oder Jonny Greenwood hätten mitwirken können, wenn sie statt in Northamptonshire in Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg geboren wären.
Ausnahmen bilden hier Titel wie das eskapistische, aber subtil ironische "Island", das mehr als alles andere ein Indie-Singer-Songwriter-Song ist, der ausnahmsweise mehr an Künstler wie Gisbert zu Knyphausen - der übrigens auf 6|8 mit Scheerer duettiert - als an Klez.E oder Delbo erinnert, oder der dunkel und bedrohlich wirkende Schlusstrack "Maschinen", der nicht erst im Verlauf des altbekannten Leise-Laut-Spiels, sondern von Anfang an aggressiver zu Werke geht. Dem Titeltrack könnte wohl auch problemlos das Krautrock-Label aufgedrückt werden, weswegen auch nicht weiter verwunderlich ist, dass Faust - Legenden eben dieses Genres - die Bearbeitung eines Karamel-Songs angekündigt haben. Auch wenn vielleicht nicht jeder Song als Einheit so mitreißt, wie dies beispielsweise aktuell auf Klez.Es "Vom Feuer Der Gaben" der Fall ist, bleibt Karamels Drittling eins der spannendsten deutschsprachigen Alben der letzten Jahre - auch und gerade jenseits des Ersteindrucks einen Entdeckungsvorgang wert.
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