Rezension

Jan Delay
Mercedes Dance
Highlights: Für immer und dich // Gasthaus zum lachenden Stalin // Plastik
Genre: Deutsch HipHop
Sounds Like: Beginner // Freundeskreis // Rio Reiser // Udo Lindenberg
VÖ: 04.08.2006

Der Delay Lama auf dem Weg, Deutschland zu retten: Im Anzug von „Herr von Eden“ und die Diskokugel am Pali-Tuch über die Schulter geworfen macht sich Jan Delay wieder an die Arbeit. „Mercedes Dance“ heißt das zweite Album und damit bewahrt Eimsbush den deutschen HipHop einmal mehr vor dem Untergang.
Dabei soll es doch ein Funk-Album sein. Ein Funk-Album! Als Frage formuliert: Ist das ein Funk-Album? Da lautet die Antwort klar und eindeutig Jein. Nein, denn es ist einfach ein deutsches HipHop-Album – und das war bei Eißfeldts erstem Solo-Album als Jan Delay mehr oder weniger auch schon so. Wo bei „Searching for the Jan Soul Rebels“ HipHop und Reggae als Schwestern in Beat und Bass zur gleichen Zeit in der gleichen Wohnung lebten, besteht bei „Mercedes Dance“ ein zeitlicher und musikalischer Spalt zwischen Anspruch und Ergebnis. Dass es dennoch ein verdammt „funkiges“ Album ist, liegt vor allem daran, dass das „flashige Fliegengewicht“ mit Disko No. 1 wieder von einer gut aufgestellten Backgroundband unterstützt wird, die auch in Komposition und Produktion involviert war. Zudem hat Eißfeldt mit Tropf (von Dynamite Deluxe Ruhm) und Matthias Arfmann (Kastrierte Philosophen, Turtle Bay Country Club) zwei alte Bekannte an seiner Seite, die als Brüder im Geiste und in der Musik dafür sorgen, dass Beats (Rap), Bass (Reggae), Haltung (Punk) und Style (Jazz) eine funkig groovig politisch unkorrekte Mischung eingehen. Diese lädt zum Tanzen ein und kann vieles, das bisher in der deutschsprachigen Musik so noch nicht präsentiert wurde.
Aber im Gegensatz zum Style von Jazz, den er so schätzt, macht Jan Eißfeldt hier in seinen Lyrics das, was ein Rapper wohl tun muss – sich als der „Superstyler No. One“ präsentieren. Auf der einen Seite spiegelt sich das in einem kritischen Blick auf die Deutschen („Kartoffel“, „Kirchturmkandidaten“), viel mehr jedoch entwickelt es sich zu einem nöligem Dissen all dessen, was klein Janni nicht gefällt – oder wie der Ober-Hanseat es selber ausdrückt, „ich tu noch jammern und meckern“. Nachzuhören in: „Plastik“ und „Ahn’ ich gar nich’“.
Der angekündigte Funk präsentiert sich musikalisch vor allem in der zweiten Hälfte des Albums. Ihn in reiner Form gibt es in „Gasthaus zum lachenden Stalin“. Das einzige Instrumental des Albums dient vor allem der Band Disko No. 1 dazu, sich auszuzeichnen. „Plastik“ setzt dies fort. Die Rhythmus-Sektion trifft den Punkt, Keyboard und Gitarre setzen Akzente, dazu noch ein bisschen Beat-Schnitzelei und Delays Funk-angepasste Vocals und fertig ist ein Hit. Die Mischung aus einfach nur HipHop und echtem Funk zeigt sich in „Ahn’ ich gar nich’“. Hier stammt der Funk aus der Dose und es ergibt sich, Tropf sei Dank, ein echter Diskostampfer. Ähnlich zeigt sich „Raveheart“, bei dem Tropf und Disko-No. 1 gemeinsam den Beat zaubern.
Musikalisch am stärksten sind sicherlich die Tracks, die im Spannungsfeld zwischen Funk, Soul und Gospel stehen. Zum einen „Kirchturmkandidaten“, der sich noch ein wenig nach der Disko sehnt, mehr aber das Rio Reiser-Cover „Für immer und Dich“ und das Udo Lindenberg Feature „Im Arsch“. Das sind nicht die Stücke, die dieses Album verkaufen, sondern die, für die man es in Erinnerung behalten wird.
Verkaufen wird es sich – mehr oder weniger gut – aufgrund von Heavy-Rotation-Tracks, wie „Klar“, der Vorabsingle mit dem Pop-Appeal einer „dööörty“ Christina, „Kartoffel“, dem Beginner-Fan-Fänger, „Feuer“, dem Dancehall-Stampfer, sowie „Plastik“ und „Raveheart“, den Disko-, bzw. Blockparty-Hits.
Insofern verbleibt ein zwiespältiger Eindruck. Wenn mir die Lyrics auf den Zeiger gehen, kann ich mich an den musikalisch vielschichtigen Hits festhalten, wenn mir das alles zu ohrwurmig ist, kann ich genauer auf Komposition oder – besser nicht – den Text achten, oder aber einfach zu „Für immer und Dich“ oder „Im Arsch“ skippen. Irgendwie habe ich das Gefühl, das war genau meine Reaktion auf das letzte Beginner-Album.
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