Rezension

Ja, Panik

Libertatia


Highlights: Libertatia // Post Shakey Time Sadness // ACAB
Genre: Pop // Rock // Funk // Diskurspop
Sounds Like: Blumfeld // Tocotronic // Die Türen

VÖ: 31.01.2014

Was tun, wenn Revolution nicht (mehr) die Triebfeder des eigenen künstlerischen Outputs sein kann? Wenn man längst bemerkt hat, dass jedes noch so scharfe Riff und jedes noch so inbrünstig vorgetragene politische Statement in die Bedeutungslosigkeit abdriftet? Diese Fragen dürften sich Ja, Panik – allen voran Andreas Spechtl – in den letzten 2,5 Jahren häufiger gestellt haben. „Libertatia“ ist die Antwort auf diese Fragen von der zum Trio geschrumpften Band.

In einer Zeit, in der die musikalische Revolution also keine Alternative mehr darzustellen scheint und der Eskapismus in ein reales Hinterland schon zuhauf durchexerziert wurde, schaffen Ja, Panik sich ihre eigene imaginäre Utopie. Libertatia beschreibt ein von Seeräubern im 17. Jahrhundert erschaffenes utopisches Reich, in dem sie den Fängen der Gesellschaft, gegen die sie agitierten, entkommen und ihrer eigenen Vorstellung einer perfekten Welt ein Stückchen näher kommen konnten. Dieses Libertatia dient dem seelischen Eskapismus, der Schaffung einer neuen Realität mitten in einer Welt, die sich von Rockmusik schon lange nicht mehr ändern lässt. Dieser vermeintliche Sinneswandel ist verbunden mit einer musikalischen Neuorientierung.

Um Längen gelassener und sorgenfreier klingt Spechtl hier, lässt sein Markenzeichen gewordenes Deutsch-Englisch von Funk-Anleihen, Saxophoneinlagen und gelegentlichen Synthie-Teppichen tragen. Und dennoch: Wer glaubt, dass Ja, Panik sich nun für die fröhliche Belanglosigkeit entschieden haben, liegt falsch. Spechtl hat noch einiges zu sagen – über die Gesellschaft, sich selbst und die Welt – und das hält er auch nicht zurück.

In „Post Shakey Time Sadness“ heißt es immer noch überraschend aufrührerisch:

Diese Bar ist eine Schlucht //
Und das Wasser, das hier fließt, hat einen bitteren Geruch //
Irgendein zugedröhnter Depp //
Spricht irgendwas vom working man, dessen life und dessen death //
Ich denke mir, schau dass du abhaust //
Denn mein Argument wär' jetzt eigentlich nur noch die Faust

Spechtl bringt Melancholie und Fröhlichkeit so gut zusammen wie kaum jemand sonst und verkauft sein Libertatia damit tatsächlich erfolgreich als den endgültigen Sehnsuchtsort, dessen Form und Gestalt sich im Refrain des Titelsongs am deutlichsten manifestiert:

Wo wir sind, ist immer Libertatia, (…) denn wo wir stehen, könnt’ immer alles sein.

Andreas Peters

Sehen


Video zum Titelsong "Libertatia"

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!