Rezension
Grizzly Bear
Shields
Highlights: Sleeping Ute // Yet Again // What's Wrong // Sun In Your Eyes
Genre: Indie-Folk-Pop
Sounds Like: Department Of Eagles // Daniel Rossen // Fleet Foxes // Love
VÖ: 14.09.2012
Daniel Rossen streichelt behutsam die letzten Takte ins Piano und dann ist es vorbei, das neue Album von Grizzly Bear. Hinter ihm liegen zehn Songperlen, von denen jede einzelne eine songwriterische Meisterleistung ist. Es sind musikalisch völlig unterschiedliche Stücke mit ganz unterschiedlichen Herangehensweisen und dennoch ist „Shields“ in sich schlüssig, eine geradezu absurd selbstverständlich wirkende Einheit. Beides kennt man schon von dem Vorgänger, aber nicht in der Ausdifferenziertheit und diesem absoluten Perfektionismus. Selbst auf „Veckatimest“, einem im Prinzip fehlerlosen Album, hat man sich noch einen Fingerbreit Luft nach oben gelassen. Nun ist auch der weg, denn „Shields“ macht jetzt absolut alles richtig und noch viel mehr darüber hinaus.
Und dafür musste sich der Vierer aus Brooklyn nicht einmal ein Bein ausreißen, sondern nur die weniger prominente Bandhälfte vom Hinter- in den Vordergrund rücken. Vorbei die Zeit der Rossen- und Droste-Songs, auf „Shields“ gibt es nur noch Grizzly-Bear-Songs. Bassist Chris Taylor hatte spätestens mit seinem Solo-Ausflug CANT bewiesen, was für ein exzellenter Songwriter er ebenfalls ist und darf sich folgerichtig nun auch bei seiner Hauptband hörbar austoben. Richtig verblüffend ist allerdings der Input von Drummer Chris Bear. Was er hier abliefert, ist gar nicht hoch genug wertzuschätzen. Die unglaubliche Dynamik des Albums ist eine einzige Hommage an die alten Drum-Urväter der Jazz- und Rockmusik, garniert mit einer Percussion-Performance, die aktuell ihresgleichen sucht.
Dennoch bleiben Ed Droste und Daniel Rossen natürlich die zentralen Figuren, gerade weil schon jede ihrer Stimmen für sich etwas ganz Besonderes ist. Und endlich hört man beide auch mal zusammen! Schon beim zweiten Song der Platte ist es soweit, wobei es erstmal schwierig ist, überhaupt am Opener „Sleeping Ute“ vorbeizukommen. Dort geschehen nämlich tausend Dinge gleichzeitig, während eine dieser typischen Grizzly-Bear-Melodien sich ins Hirn fräst, wie es sonst nur Apple-Commercials schaffen. Lässt man den Repeat-Knopf dann doch mal in Ruhe, bekommt man wie angekündigt das erste richtige „Duett“ von Droste und Rossen aufgetischt. Ersterer mit ungewohnt rauchiger Stimme in den Strophen, zweiterer mit gewohnt lässiger Performance im Refrain. Was soll man sagen? Es passt. Und am Ende des Songs gibt es mit dem völlig unerwarteten Bläser-Einsatz einen der vielen, vielen Kniffe, die „Shields“ erst zu dem Meisterwerk machen, das es ist.
Hinter jeder Ecke lauert etwas Überraschendes, die Songs sind voll mit Ideen, die viele Bands selbst dann nicht verstehen würden, wenn man sie ihnen erklärte. Und das Beste ist: jede dieser Ideen steht am genau richtigen Platz. Das Ergebnis sind dann Stücke wie „A Simple Answer“, dessen Erhabenheit auf Augenhöhe mit Arcade Fire steht. Oder die siebenminütige Großtat und gleichzeitig auch der eingangs erwähnte Abschluss des Albums: „Sun In Your Eyes“. Eine Pianoballade mit derart überwältigendem Refrain...dazu fällt einem einfach nur noch „wow“ ein. Wow. Aber auch gerade die zuerst eher unscheinbaren Songs werden nach kürzester Zeit zu absoluten Highlights. Das wundervoll relaxte „What’s Wrong“ mit seinem unvergleichlichen Freejazz-Abschluss. Oder das sich immer dramatischer steigernde „Half Gate“. Oder das melancholisch und doch leichtfüßig daherkommende „Yet Again“. Oder...
In einer Zeit, in der es vielen Künstlern immer schwieriger zu werden scheint, ein Album aufzunehmen, auf dem jeder Song überzeugen kann, geschweige denn zwei Alben auf gleich hohem Niveau abzuliefern, preschen Grizzly Bear an ihrer eigenen, zuvor unüberwindbar erscheinenden Hürde vorbei. Wie man ein perfektes Album wie „Veckatimest“ toppt? Man schreibt ein noch perfekteres Album. Das ist mit „Shields“ gelungen. Diese Band darf sich niemals auflösen.
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