Rezension

Grinderman

Grinderman 2


Highlights: Bellringer Blues // Worm Tamer // Heathen Child
Genre: Rock
Sounds Like: Nick Cave And The Bad Seeds // The Birthday Party // Rolling Stones // The Black Keys // Kasabian

VÖ: 10.09.2010

Nick Cave ist ein Phänomen. Einerseits kann er zusammengesunken am Klavier sitzen und mit traurigen Liebesliedern Opernsäle füllen. Auf der anderen Seite steht der Rockstar Nick Cave. In den frühen 80ern das Dandytum bis zum Exzess ausgelebt, wilde Zeiten mit Lärm und Selbstzerstörung durchgemacht. Seit wenigen Jahren scheint diese Seite wieder die Oberhand gewonnen zu haben. Klar, mit über 50 ist vieles nur noch Pose, einiges ist so ironisch überzogen, dass es fernab jeden Ernstes lächerlich wirkt. Und doch faszinieren er und seine Musiker immer wieder. Sieht man ein aktuelles Bandfoto, sieht man vier zottelige Typen, die in ihrem eigenen Universum zu leben scheinen. Ähnlich bizarr ist auch das erste Video zum Album: Eine junge Dame sitzt in einer Badewanne, wird von allen möglichen Geistern und Nick Cave geplagt. Der Rest der Band schwirrt im All herum, zerstört Dinge oder die Weltgeschichte.

Der Albumeinstieg ist nicht minder kurios, „Mickey Mouse And The Goodbye Man“ heißt der Opener und gibt die Richtung vor: War man auf „Grinderman“ noch am Ausprobieren, so ist der Nachfolger die Perfektion des lärmenden Garagenrocks. Dreckiger, rauer Gitarrensound, schmutzige Lyrics und in der Mitte Nick Cave mit Schnauzbart. Geradezu wahnsinnig, wie Songs wie „Worm Tamer“ scheppern und kratzen und doch eingängig melodiös sind oder wie ein „When My Baby Comes“ harmlos Violinen streichen lässt, nur um nach drei Minuten die Wandlung zum stampfenden Doom-Desert-Rock-Epos im Stile von Black Sabbath zu vollziehen. „Evil“ hingegen könnte auch von den Rolling Stones stammen. Das unruhige Pfeifen eines Windes begleitet „What I Know“. Wäre dieses Album ein Film, dann einer dieser Psycho-Horror-Filme in einem alten verlassenen Haus, bei dem man in der Dunkelheit hinter jeder Ecke ins Verderben läuft.

In Stücken wie „Kitchenette“, „Bellringer Blues“ oder dem Popsong „Palaces Of Montezuma“ klingen die vier mehr nach den Bad Seeds als nach Grinderman – letzteres hätte auch locker auf "Lyre Of Orpheus/Abbatoir Blues" Platz gehabt. Es ist sowieso nicht ganz klar, wozu Cave seine Hauptband und Grinderman noch trennt, Grinderman 2 klingt stark nach "Dig! Lazarus! Dig!" und umgekehrt.

Nach Genuss des Albums bleibt nur zu sagen: Bitte, Herr Cave, lassen Sie das Klavier verstauben, jammern kann man noch, wenn man so alt ist wie Leonard Cohen. Aber bis dahin bitte den posenden Rockstar.

Klaus Porst

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