Rezension

Explosions In The Sky

All Of A Sudden I Miss Everyone


Highlights: The Birth And Death Of The Day // What Do You Go Home To? // Catastrophe And The Cure
Genre: Post-Rock // Instrumental
Sounds Like: Mogwai // Sigur Rós // Tarantula A.D. // Godspeed You Black Emperor!

VÖ: 16.02.2007

The Birth And Death Of The Day. Ein Blitz schlägt ein. Zuerst erschrocken, wenig später überwältig von seiner Schönheit, verliert man sich im langen Nachklang des Donners. Egal, wie stürmisch und düster es scheint. Hoffnung breitet sich aus - immer mehr und mehr. Die Erlösung. Ein Feuerwerk. Explosions In The Sky. Mit wem haben wir es hier eigentlich zu tun? Was sind das für vier Texaner, die mit ihrem mittlerweile vierten Studioalbum ihr gleichzeitig bestes Werk aufgenommen haben? "Ihr bestes Werk"...Nein, vielmehr muss von ihrem Meisterwerk gesprochen werden. "Von ihrem Meisterwerk"...Nochmals nein, "All Of A Sudden I Miss Everyone" gehört sogar zu dem besten, was Post-Rock je geboten hat. Keine 45 Minuten dauert die Berg- und Talfahrt der Gefühle und doch wirkt sich das Album noch Stunden später auf die Gemütslage des Hörers aus. "Stunden"...Lasst es Tage oder Wochen sein!

Welcome, Ghosts. Nach dem Paukenschlag zu Beginn ist man angekommen. Wo genau, dass weiß man noch nicht. Vertraut ist es hier allemal. Kein Wunder, "Welcome, Ghosts" ist nämlich schon vor einigen Monaten zum Lustmacher auserkoren worden. In seinen sechs Minuten allein recht unscheinbar, im Albumkontext jedoch großartig, wie alles diesmal, natürlich.

It's Natutal To Be Afraid. Also keine Sorge, es ist ganz normal. Eine derart intensive Reise lässt niemanden kalt. Zeitgefühl gibt es nicht mehr. Waren das gerade wirklich gute 13 Minuten? Es hätten gut und gerne zwei, aber genausogut 30 sein können - es ist so viel passiert. Es ist kein Geheimnis, dass es der Traum einer jeden Post-Rock-Band ist, dem Hörer das Gefühl für Raum und Zeit zu nehmen, ihn nach Möglichkeit aus der realen Welt zu reißen, doch bei der Art und Weise, der Stärke, in der es in diesem Fall klappt, muss man wirklich Angst bekommen - zum Glück ist das ganz normal.

What Do You Go Home To? Nach Hause? Niemals. Zwischenspiel? Niemals. Der Kern des Albums? Muss jeder selbst heraus finden. Für mich persönlich ja. Vergleichbares habe ich noch nie gehört. Dieses Klavier, unglaublich. So geheimnisvoll. Der Mund geht vor Staunen gar nicht mehr zu. So gefesselt wurde ich bisher nur von "Ágaetis Byrjun", das dennoch ebenso wenig wie die anderen oben aufgelisteten Referenzen ihren Job erfüllt. Vergleichbares ist nicht zu finden - zum Glück ist das nicht normal.

Catstrophe And The Cure. Nach dem Eröffnungstrack die zweite und gleichzeitig letzte große Schlacht. Nebenbei, habe ich eigentlich bereits erwähnt, dass es sich um ein komplett instrumentales Album handelt? Erfindet das Rad aber auch nicht wirklich neu. Interssanter ist es, zu erfahren, wie ein Album - und sechs Songtitel - es schaffen, Lyrics in Romanlänge und mehr mit Leichtigkeit zu ersetzen. Wer die CD kennt, weiß, wie sich das in der Praxis anfühlt. Passend dazu: Als es vor vielen Jahren noch so etwas wie Musikfernsehen gab, sprach die reizende Charlotte Roche von einem den ganzen Tag über die perfekten Songtitel grübelnden Morrissey. Ehre dem Meister, doch in Mark, Munaf, Michael und Christopher hat er ernstzunehmende Konkurrenten gefunden. Ach ja, der Vollständigkeit halber noch zwei Wörter zum Lied: Friedliches Ende.

So Long, Lonesome. ...das sich im letzten Lied fortsetzt und perfektioniert. Tut mir Leid, dass ich nochmal kurz auf die "äußere Form" zu sprechen komme, aber ist das nicht schon wieder mehr Poesie in einem Songtitel als in 99% aller anderen Musikwerke insgesamt? Die fünf Studioalben der Red House Painters gehören, das sei von mir als großer Fan bemerkt, jedoch zum anderen Prozent. Warum ich jetzt mit denen anfange? Ganz einfach, das Klavier, das das Album erstklassig träumerisch zu Ende gehen lässt, klingt so, egal wie überraschend sich diese Referenz zuerst anhört, als hätte Mark Kozelek persönlich Hand angelegt; Ein Vergleich, den man leider viel zu selten ziehen kann. Damit unterstreichen die vier Texaner ein weiteres Mal, wieviel sie von guter - ich möchte fast sagen: perfekter - Musik verstehen. Hoffen wir also, dass ihre Karriere noch viele Jahre andauert und nicht, wie bei den Red House Painters und vielen anderen, leider viel zu früh aufgelösten Bands zu Ende geht. In diesem Sinne: All Of A Sudden I Miss Everyone.

Paul Weinreich

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