Rezension
Eminem
The Marshall Mathers LP2
Highlights: Bad Guy // Berzerk // Rap God // So Far // Love Game // Headlights
Genre: Rap
Sounds Like: Dr. Dre // Kendrick Lamar // Beastie Boys // Lil Wayne
VÖ: 05.11.2013
Marshall Mathers ist zurück und die Geister scheiden sich. Mitunter bekommt man dieser Tage den Eindruck, dass es sich in der Rap-Szene nicht schickt, "MMLP2" zu feiern. Bei all diesen Diskussionen stellt sich vor allem eine Frage: Steht Eminems Mainstream-Erfolg der objektiven Betrachtung dieser Platte im Weg?
Gehen wir mal kurz zurück. Gegen Mitte dieses Jahres gab es große Neuigkeiten aus dem Hause Slim Shady: ja, es gibt ein neues Album, und ja, es wird die (zumindest namentliche) Fortsetzung des Kritikerlieblings "The Marshall Mathers LP" aus dem Jahre 2000. Lange wurde gerätselt, ob sich Eminem wieder seinen Anfangstagen annähern würde. Als dann mit "Survival" und "Berzerk" ("Now this shit's about to kick off, this party looks wack // Let's take it back to straight hip-hop and start it from scratch") zwei echte Rapbretter als erste Vorreiter des Albums veröffentlicht wurden, war klar, dass Em auf "MMLP2" wahrscheinlich näher an "The Marshall Mathers LP" ist als auf irgendeiner anderen Veröffentlichung der letzten 13 Jahre. "Rap God" war dann eine klare Ansage an die aufkeimende "King Of Rap"-Debatte, angezettelt von Kendrick Lamar ("Be a king, think not – why be a king when you can be a God?"), den er wiederum auf der letzten Singleveröffentlichung vor Albenveröffentlichung auf einem Song featurete, der alles bisher Erwartete vollkommen über den Haufen warf. Im Gegensatz zu den straighten Skillfeuerwerken "Berzerk" und "Rap God" geht "Love Game" noch einen Schritt weiter und verpackt Hass-Oden an die jeweiligen Exfreundinnen in eine Art radiofreundlicher Rap-Ästhetik, die so noch nicht zu hören war und sich beharrlich weigert, in eine Schublade gepresst zu werden. Das Fragezeichen wurde immer größer bei denjenigen, die vor Album-Release versuchten, die musikalische Richtung von "MMLP2" deuten zu können.
Machen wir es kurz. Ja, "MMLP2" ist die vielleicht krasseste Rückbesinnung, die man sich hätte vorstellen können. Musikalisch? Ja! Skilltechnisch: Sowieso! Aber vor allem das Referenzgeballere, für das man Eminem kennen und lieben gelernt hat, zielt hier knallhart auf das 2000er Album. "Bad Guy" ist eine unverhohlene Fortsetzung des Mainstreamdurchbruchs "Stan", in der Stans zurückgelassener Bruder sich aufmacht, sich an Eminem für seinen toten Bruder zu rächen ("I also represent anyone on the receiving end of those jokes you invent // I'm the nightmare you fell asleep in and then woke up still in"). Eminem spielt mit Gewaltfantasien, mit Splatter und Horror, schlüpft in seine Rollen, als hätte er nie etwas Anderes gemacht und das mit einer Doubletime-Action, von der sich 20 Jahre jüngere Kollegen 'ne dicke Scheibe abschneiden können. Tempowechsel, die Überschreitung von Genregrenzen innerhalb von Songs ("So Far") und dieser aggressive, scharfzüngige Wahnsinn, der Eminem erst bekannt gemacht hat und einem verbalen Massaker gleicht, das auch 2013 niemanden verschont, machen "MMLP2" zu einer großartigen Platte. Und als wäre das nicht genug, versöhnt sich Eminem auf "Headlights" ohne Kitsch, mit wenig Pathos und dafür umso mehr Ehrlichkeit mit seiner todkranken Mutter.
"MMLP2" ist der perfekteste vermeintliche Karriereabschluss, den man sich für und von Eminem wünschen kann. Er hat es sich und allen noch mal bewiesen und auf einer einzigen Platte die Stärken seiner gesamten Karriere zusammengefasst und sich nebenbei noch mal zum Rapgod erkoren. Ob man nun diesem Eminem – dem 41-jährigen Multimillionär – diese rotzige "fuck it all"-Haltung und die immernoch verkörperte innere Zerrissenheit abkauft, muss jeder mit sich selbst ausmachen. Hieraus ergibt sich die etwas überspitzte These: Stünde nicht Eminen, sondern der Name eines unbekannten Newcomer-Rappers in großen Lettern über dem Bild des Hauses in Detroit, würden sich die Kritiker vor Lob überschlagen. Doch, ganz sicher.
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