Rezension

Eminem

Relapse


Highlights: Old Time’s Sake // Underground // We Made You
Genre: HipHop
Sounds Like: Dr Dre // 50 Cent // D12 // Obie Trice

VÖ: 15.05.2009

Von Slim Shady über Marshall (Bruce) Mathers (III) zu Eminem führte Mathers drei Major-Alben lang eines seiner Alter Egos im Titel. Dann die Zugabe. Nachfolgend noch einmal ein Best Of durch den fallenden Vorhang. Ende. Eine so genannte kreative Pause, die nicht zuletzt aus einem Entzug bestand. Nun also der „Rückfall“. Aber wirkt die einzig wahre Medikation Musik weiterhin? Funktioniert das Rezept, das Eminem nicht zuletzt mit Hilfe von Dr. Dre vier Alben lang perfektioniert hatte, auch fünf Jahre später? Respektive, hat es überhaupt – außer kommerziell – 2004 noch erfolgreich gearbeitet? Persönlich reizte „Encore“ kein bisschen, und schon „The Eminem Show“ enttäuschte.

Das Problem des Projekts Eminem ist das Rezept, dieses klar geregelte Vorgehen. Sein Erfolg beruht subjektiv auf einem für jedes der inzwischen fünf Major-Studio-Alben nachvollziehbaren Vorgehen. Zunächst gibt es einen eingängigen Ohrwurm. Vorzugsweise begleitet ihn ein übertriebenes Video, in dem Mr Marshall Mathers seine multiplen Persönlichkeiten voll entfalten kann. Falls Song und Video zudem die Möglichkeit bieten, die A- bis Z-Prominenten dieser Welt durch den Kakao zu ziehen, ist das umso besser. Für „Relapse“ erfüllt „We Made You“ diese Rolle, zuvor waren es zum Beispiel „My Name Is“, „The Real Slim Shady“ und „Without Me“. Auch „Stan“ erledigte die Aufgabe des Ohrwurms sicherlich mehr als zufrieden stellend.

Die Single dient als Einstiegsdroge. Der eigentliche Stoff – das Album – kann durchaus ganz anders wirken. In der Regel, und besonders stimmt dies für „Relapse“, prägt im folgenden Eminems latent hysterischer, nervös hektischer Flow die Stücke. Reime werden über ganze Strophen getragen, sind andererseits gar nicht nötig. Nah am Kreischen und nasal fräst Mathers sich durch explizite Texte, die auf „Relapse“ bei genauer Betrachtung in ihrem transportierten Hass, ihrer Gewalttätigkeit und dem Sexuellen eine ganz neue Kategorie des Expliziten erreichen. Eminems Vortrag fasziniert in seiner Perfektion, überzeugt in seiner stilistischen Einmaligkeit, wenngleich er auf der Länge von knapp 80 Minuten oder gar fünf Alben nicht gerade innovativ erscheint.

Die ganze Produktion fokussiert sich auf das Herausstellen des vokalen Talents. Beats stampfen, hüpfen, tropfen oder schleichen darunter. Melodien dienen allein zur Verankerung der Mikrofonbearbeitung. Effekte schaffen effizient die vom Track erforderte Stimmung. Die leicht paranoide Atmosphäre der Dre'schen Produktion, ihr mitreißender Funk, ihre glasklare Eiseskälte dienen allein dazu, die Raps zu akzentuieren. Das funktioniert, das ist gut, das ist aber ebenfalls nicht wirklich der Rede wert.

Schnell erscheint so die Pause von fünf Jahren zum Voralbum überbrückt, nahezu umgehend ist der Hörer in vertrautem Terrain. Entsprechend wenig lohnt es, einzelne Stücke herauszuheben. „Bagpipes From Baghdad“ untermalt die einem Eminem-Track innewohnende Qualität mit orientalischen Klängen. Slim Shadys verwirrte Fantasien in „Hello“ fließen über fast fröhlich hüpfende Beats, der „Medicine Ball“ springt so träge wie hart auf und ab, Streicherwogen tragen „Stay Wide Awake“. Die Cannabis-Hymne „Must Be The Ganja“ ist phasenweise rhythmisch interessant inszeniert, im Grunde aber belanglos. „We Made You“ als Hit nervt, ist aber eben auch einfach perfekter Pop. „3 a. m.“ transportiert gelungen dunkel die Stimmung des Ich-erzählenden Massenmörders und ähnlich düster entfaltet sich „Déjà Vu“. Gegen Ende des Albums macht sich Ermüdung breit, die einen „Beautiful“ und insbesondere „Crack A Bottle“ mit Gastraps von Dr. Dre und 50 Cent kaum ertragen lässt.

Aus all dieser hochklassigen, doch eben auch bekannten Eminem-Welt scheinen zwei Tracks heraus. Verabschiedet wird der Hörer mit dem pathosschweren, harten Musical „Underground“. Perfekte Produktion, perfekte Mikrofonkunst. Selbes gilt auf eine klassische Mitt-1990er-Jahre-Weise für „Old Time’s Sake“. Dr. Dre lässt einerseits den Beat auf grandiose Weise tropfen, glänzt aber zudem als Gast am Mikrofon. Als wahrer Hit des Albums lohnt allein diese Nummer die Auseinandersetzung mit dieser Platte, die eben nur ein weiteres Eminem-Album ist.

Oliver Bothe

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