Rezension
Ed Harcourt
The Beautiful Lie
Highlights: Late Night Partner // Until Tomorow Then // Rain On The Pretty Ones // Good Friends Are Hard To Find
Genre: Singer/Songwriter
Sounds Like: Rufus Wainwright // Ryan Adams // Tom Waits
VÖ: 09.06.2006
Die richtig guten Singer/Songwriter sind alle unnahbare Eigenbrödler mit dem Hang zur Freakyness und Selbstzerstörung. Richtig? Falsch! Ed Harcourt bastelt seine MySpace-Seite noch selbst, beantwortet alle Fanmails persönlich, rückt seine Ehefrau gerne öffentlich ins Rampenlicht und küsst dir die Füße, falls du ihm die uralte Quetschkommode deiner Großmutter anbietest. O Klischees, where art thou? Man findet sie nirgends und genau das macht “The Beautiful Lie” zu einem Album, welches nach langer Zeit wieder genreprägend sein dürfte und das ist keinesfalls eine Übertreibung.
Das hat er aber auch ganz geschickt gemacht, der gute Ed! Da bewegt er sich jahrelang unter dem Radar sämtlicher Hypemaschinen und Kritiker und dann haut er so eine Platte raus, die durch ihren grenzenlosen Abwechslungsreichtum und eine Stimme besticht, die ganz tief unter die Haut geht. Dabei haben wir hier nicht einmal den nächsten Jeff Buckley vor uns. Ed Harcourt kann froh sein, wenn er überhaupt eine Oktave schafft! Nein, es ist diese verblüffende Wandlungsfähigkeit. Häufiger ertappt man sich dabei, wie man noch einmal einen Blick ins Booklet wirft, ob da nicht doch ein Gastsänger dabei ist. Tatsächlich ist es aber nur dieser eine Ausnahmekünstler, der im einen Moment wie Matthew Bellamy klingt, um dann mit einer Bluesstimme aufzuwarten, die an seiner Herkunft (London) erheblich zweifeln lässt.
Überraschend locker flockig gerät der Albumeinstieg. „Whirlwind In D Minor“ besticht durch seinen beschwingten Rhythmus, für den auch Justin Timberlake sicher so einiges gegeben hätte. Doch keine Angst! Mit dem mediengeilen Milchbubi hat Ed Harcourt leidlich wenig zu tun. Dafür sind schon seine „Homies“ viel zu uncool. Niemand geringeres als Graham „Hornbrille“ Coxon steuert beispielsweise sein feines Gitarrenhändchen für den Sommerpop in „Visit From The Dead Dog“ bei. Auch die, vorsichtig formuliert, eher kamerascheuen Magic Numbers geben sich als Backgroundchor die Ehre und verzaubern „Revolution In My Heart“ zu einem Knallbonbon aus zuckersüßen Tönen. Doch es ist seine eigene Frau Gita, die von allen Gästen die größten Akzente setzt. Sei es musikalisch an der Violine, um ihrem Gatten einen Zug an „The Last Cigarette“ zu gewähren, oder stimmlich, wie beim zauberhaften Duett des bittertraurigen „Braille“ oder dem puren Soul eines „Until Tomorrow Then“. Das unsichtbare Band zwischen den beiden lässt sich förmlich aus ihrer Musik heraushören.
Doch Ed Harcourt braucht nicht unbedingt die Unterstützung anderer, um Großes zu vollbringen. Ein Mann, ein Piano und tausend Liter Tränen sind vergossen. Allen voran „Rain On The Pretty Ones“ und „Late Night Partner“ sind Oden an rotweingetränkte Abende, bei denen unzählige Zigarrettenstummel langsam im Aschenbecher verglühen. Solche Situationen kennt jeder und meistens sind es die Freunde, die einen dann wieder aufrichten. Deshalb steht am Ende von „The Beautiful Lie“ auch ein Song wie „Good Friends Are Hard To Find“, der gänzlich unpeinlich ein Dankesmanifest an die größten und besten Seelentröster darstellt. Der perfekte Abschluss eines perfekten Albums. Willkommen in der Belletage im Konzert der Großen.
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