Interview

Ed Harcourt


Interview unter erschwerten Bedingungen! Ed Harcourt hat noch den totalen Hangover, seine Bandmitglieder schwatzen andauernd rein und die Guillemots veranstalten einen ganz schönen Lärm auf der Haldern Pop Hauptbühne. Aber auch in Extremsituationen weiß Herr Harcourt mit Witz und Charme zu glänzen.

Warum hast du dein neues Album "The Beautiful Lie" genannt?

Ed Harcourt: Jeder Song ist in gewisser Weise eine Lüge. Als Hörer kannst du nie wirklich beurteilen, ob dir eine Band oder ein Künstler jetzt eine wahre Geschichte auftischt, oder dich in einem falschen Glauben lässt. Ich könnte jetzt eiskalt einen Song schreiben, indem ich mich selber als lieben und netten Kerl hinstelle, aber in Wirklichkeit bin ich ein totaler Kotzbrocken. Ich wette, das würde mir sofort jeder abnehmen, ohne mit der Wimper zu zucken! Trotz der ganzen Lügerei ist es aber immer noch die Musik an sich, die dich dann berührt und du findest sie wahrscheinlich wunderschön. Deshalb also "The Beautiful Lie".

Gibt es auf dem Album Songs, die dir besonders wichtig sind?

Ed: Lass mal überlegen... Ich würde sagen, dass "Until Tomorrow Then" sehr wichtig für mich ist. Das ist quasi der Lovesong für meine Frau und mich. Eigentlich sollte man so etwas persönliches nicht auf ein Album packen, sondern nur für sich und seine Frau oder Freundin bewahren... Ja verdammt! Das hätte ich tatsächlich machen sollen!

Also besagter Song gehört aber zu meinen Favoriten auf dem Album!

Ed: Das haben mir schon so viele Leute gesagt, das glaubst du gar nicht. Ach, scheiß drauf! So einen Song kann ich jederzeit wieder schreiben und dann für mich und meine Frau zurückhalten. So gesehen bin ich froh, dass einige Pärchen zu "Until Tomorrow Then" ständig Liebe machen werden (lacht).

Wie kam es denn zu der Zusammenarbeit mit Graham Coxon und The Magic Numbers?

Ed: Nun, ich kenne Graham jetzt schon eine ganze Weile. Ich hab ihn durch einen Freund von mir kennengelernt. Er kam dann einfach mal bei mir vorbei, und wir haben zusammen ein paar Songs geschrieben. Von denen hat es ja nur einer auf das Album geschafft. Mal schauen, was ich mit den anderen noch machen werde.
Und die Magic Numbers haben mal in meiner Stammkneipe gespielt, wo ich sie absolut grandios fand. Ich hab sie dann gleich angesprochen nach dem Konzert. Die waren auch sofort begeistert und so hab ich sie kurzerhand für einen Song als Background Chor an Bord geholt.

Du spielst viele Instrumente auf dem Album selbst. Ist das nicht manchmal problematisch und verkompliziert den Songwriting Prozess?

Ed: Nunja, erst mal muss ich sagen, dass nicht alles stimmt, was im Booklet steht. Keine Ahnung, wer sich das teilweise ausgedacht hat (lacht). Eigentlich spiele ich nur Piano, Bass und manche Gitarrenparts auf dem Album. Wir du schon sagtest wird das einfach zu vertrackt, wenn man jedes einzelne Instrument selbst einspielen muss. Ich hab das ja früher häufiger so gemacht und mittlerweile bin ich froh, dass ich einige Leute habe, die mir so manche Arbeit abnehmen.

Ich finde man erlebt auf deinen Alben immer eine Achterbahn der Gefühle. Es gibt die fröhlich und beschwingten Songs auf der einen Seite, dann aber auch die Traurigen und Melancholischen. Schreibst du die Songs immer dann, wenn du in der entsprechenden Stimmung bist?

Ed: Ich denke, das ist so ein gängiges Klischee, das man immer von Singer/Songwritern hat. Lustigerweise muss ich in meinem Fall sagen, dass dieses Klischee voll und ganz zutrifft. Vielleicht nicht unbedingt bei den fröhlichen Songs, aber bei den Traurigen ist das auf jeden Fall so. Das heißt jetzt nicht unbedingt, dass ich unbedingt total am Boden zerstört sein muss, um dann solche Songs zu schrieben. Das wäre ganz schön selbstmörderisch. Wie soll ich das am besten erklären... Du kennst doch dieses Gefühl, wenn du einfach melancholisch und vielleicht auch etwas traurig bist, ohne einen bestimmten Grund zu haben? Bei mir ist das ziemlich häufig der Fall, obwohl ich eigentlich recht glücklich mit meinem Leben bin. Ich bin einfach ein abgefuckter Depri (lacht).

Ist deine Frau eine große Inspirationsquelle für dich, wenn du deine Musik schreibst?

Ed: Ohja, sehr sogar. Sie ist wahrscheinlich die größte Muse von allen. Sie hört sich immer alles geduldig an und scheut sich auch nicht hier und da mal zu sagen, dass es sich scheiße anhört, oder dass da irgendwo was geändert werden muss. Ohne sie würde so einiges wohl nur halb so gut klingen, ganz ehrlich. Sie singt ja auch bei einigen Songs mit, was aber live ein Problem ist, weil ich dann die ganzen Songs mit ihr meistens nicht spielen kann, da sie nur äußerst selten mal dabei ist.

Fragst du sie denn, ob sie hier und da mal Violine spielt oder singt, oder kommt das eher von ihr aus?

Ed: Ich frag sie da eigentlich immer, weil sie diesbezüglich dann eher schüchtern ist, dabei hat sie auf jeden Fall ne schöne Stimme, oder was meinst du?

Auf jeden Fall! Meinst du sie wird vielleicht einmal selbst ein Soloalbum rausbringen?

Ed: Sie verneint es andauernd, wenn ich sie mal darauf anspreche. Aber ich kenne sie da besser! Irgendwann und irgendwie wird da schon was passieren, da bin ich mir ganz sicher.

Ich hab gelesen, dass du großer MySpace Fan bist. Betreibst du deine eigene Seite tatsächlich alleine?

Ed: Ja, das ist mir wichtig, dass das nicht irgendwelche anderen Typen machen. Ich meine, die ganze Plattform ist doch dazu da, sich mit seinen Fans auseinanderzusetzen und mit ihnen zu kommunizieren. Welchen Sinn macht es da irgendwelche anderen Menschen an deiner Stelle ein Portal eröffnen zu lassen? Mich hat nur überrascht, dass es schon einige Ed Harcourt Seiten gab. Das kommt halt davon, wenn man zu langsam ist.

Ich muss dich unbedingt noch darauf hinweisen, dass die Lyrics auf deiner Homepage nicht mehr verfügbar sind!

Ed: Was? Kann doch nicht sein. Wer hat das denn schon wieder verbockt? Es reicht offenbar noch nicht, dass ich mich um die MySpace Seite kümmere. Aber eigentlich brauchst du doch keine Lyrics oder? Du musst auf die Musik achten!

Klar, aber ich analysiere gerne die Texte.

Ed: Ohje! Pass auf, dass du nicht auch Singer/Songwriter wirst! (lacht)

Benjamin Köhler

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Rezension zu "Lustre" (2010)
Rezension zu "The Beautiful Lie" (2006)

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