Rezension

Ed Harcourt

Lustre


Highlights: Do As I Say Not As I Think // Killed By The Morning Sun
Genre: Pop // Singer/Songwriter
Sounds Like: The Veils // Jeff Buckley // Rufus Wainwright // Arcade Fire

VÖ: 18.06.2010

Auf ausgetretenen Pfaden zu pilgern, gehört ja mithin zu den verpöntesten aller Untaten, die man im Musikgeschäft begehen kann. Ed Harcourt darf sich sicherlich zu einem unter vielen zählen, die sich einen derartigen Vorwurf in der Vergangenheit gefallen lassen mussten. Mal waren diese Vorwürfe berechtigt, häufig auch ganz profaner Natur. Da war von New Accoustic Movement die Rede, von Barock-Pop der Neuzeit und beinahe reflexartig als auch symptomatisch nahm ein jeder für sich in Anspruch, keinesfalls Teil einer solchen Bewegung zu sein, die ja das Verständnis der eigenen Kunst derart verletzend infrage stellen könnte. So auch er. Im weiteren Werdegang wurde dann auf ein Major-Label umgesattelt, der große Pop-Erfolg schien zum Greifen nahe und blieb im schnelllebigsten aller Geschäfte doch aus. Einer von vielen, der nächste bitte! Dabei war die Musik doch eigentlich recht intelligent.

Nicht verwunderlich wäre es gewesen, wenn diese Biographie hier ihr Ende finden würde. Wird sie aber nicht, da Ed Harcourt ein neues vielversprechendes Album aufgenommen hat, auf dem eigens gegründeten Label Piano Wolf, unterstützt vom etablierten Produzent Ryan Hadlock, der unter anderem bereits für The Gossip, Built To Spill, Black Heart Procession oder auch die Strokes produziert hat. Erstaunlicherweise gelingt Harcourt hier, was das Major-Label von ihm vergebens verlangte: Ein Album voller eingängiger Popsongs, mal sehr melancholisch, mal unvoreingenommen freundlich klingend.

Man zögert, dem Album das Attribut "erwachsen" zuzusprechen. Vielmehr klingt es gesetzt, wie von einem 80-jährigen gesungen, der langsam dem Tod entgegendämmert, über die Blüte seines Lebens sinniert und dabei versucht, allem einen Sinn abzugewinnen. In vollem Glanz (lustre) zeigt das Album-Cover das Familienglück Harcourts als Ehemann einer Gattin, die ihn als Teil der Langley Sisters auf dem Album sogar im Background unterstützt, und als Vater eines kleinen Kindes. So viel Eintracht, noch dazu untermalt von Backgroundchören, balladeskem Pianospiel, gesanglicher Theatralik und vor allem herzergreifenden Melodien? Ist das nicht zuviel des Guten?

Phasenweise mag man diese Frage mit Ja beantworten und doch zeichnet die Musik solch wunderhübsche Bilder, die eine vielschichtige Collage aus poetischem Realismus, Romantik und heutiger Gesellschaftskritik ergeben, ohne komplett auf Witz zu verzichten – so beispielsweise in der sonnengetragenen Auslegung von Kants Kategischem Imperativ „Do As I Say Not As I Do“. Die Gestaltung der Songs ist mal opulent, mal schlicht, aber immer zum Moment passend. Vor allem der Gesang der Langely Sisters verhilft, die Stimmung der Songs noch mehr zu unterstreichen. Selten zuvor war Harcourts Gesang so hingebungsvoll und aufrichtig und selten hat er Stimmungen so klar getroffen. Noch nie jedoch hat er ein Album mit solch eingängigen Songs geschaffen. Ob der Pfad nun ausgetreten ist der nicht, man verweilt gerne auf diesem, um die malerische Landschaft zu genießen.

Achim Schlachter

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