Rezension

Dirty Projectors

Swing Lo Magellan


Highlights: Offspring Are Blank // Unto Caesar// Dance For You // Impregnable Question // Swing Lo Magellan
Genre: Experimental // Indie // Pop
Sounds Like: David Byrne // Animal Collective// tUnE-yArDs // Beach Boys

VÖ: 06.07.2012

Seit fast 10 Jahren beschäftigen sich die Dirty Projectors mittlerweile mit der De- und Rekonstruktion von Pop-Musik. Mit „Swing Lo Magellan“ veröffentlicht Domino Records nun das sechste Studio-Album der Brooklyner Experimental-Indie-Rocker um Sänger und Songwriter David Longstreth. Über ein Jahr hatte dieser in Delaware County, nordwestlich von New York City, an den Songs gearbeitet und letztlich zwölf Tracks aus 40 Demos ausgewählt.

Das Album, das dabei entstanden ist, ist zugänglicher als das, was man bisher von den Dirty Projectors gewohnt war. Longstreth selbst spricht von einem „albumofsongs“, einem „albumofsongwriting“. Äußerst eklektisch und experimentierfreudig ist das alles aber immer noch und jeder einzelne der Songs würde Stoff für eine eigene Analyse bieten. Streicher, afrikanische Rhythmen, 60s-Pop und unzählige andere Elemente treffen auf „Swing Lo Megallan“ aufeinander. Doch Longstreth, der auch die transparente Produktion selbst verantwortet hat, setzt alles so gezielt und ökonomisch ein, dass das Endprodukt trotz etlicher Versatzstücke funktioniert und einheitlich klingt.

Im Mittelpunkt stehen zweifellos Gesang und Rhythmen. So besteht etwa die erste Single „Gun Has No Trigger“ aus nicht viel mehr als aus Gesangsharmonien und dem Gerüst, das die Rhythmussektion für diese aufbaut. Die Harmonien erinnern oft an die Beach Boys, ganz besonders „Pet Sounds“ und „Smiley Smile“ dürften Ehrenplätze in Longstreths Plattenschrank einnehmen. Die Dirty Projectors stehen ebenso in einer Reihe mit dem Intellekt-Pop von David Byrne, mit dem sie in der Vergangenheit auch schon zusammengearbeitet haben.

Was bei so vielen unterschiedlichen Stilmitteln, komplexen Arrangements und versierten Produktionskünsten etwas in den Hintergrund rückt, sind Spontanität und Emotionen, die nicht zuvor durch einen pop-historischen Filter geleitet wurden. Bei Longstreths Musik steht der Kopf im Vordergrund, der Bauch kommt erst an zweiter Stelle. Alles ist sehr „durchdacht“, kalkuliert und exakt durchkomponiert. Die Dirty Projectors analysieren Pop-Historie, sezieren sie regelrecht und konstruieren sie dann sehr bewusst neu. Hier ist Pop mehr Wissenschaft als unmittelbarer Ausdruck. So klingt etwa der abschließende „Irresponsible Tune“ wie ein postmoderner Blick auf eine Elvis-Ballade aus den 50ern.

Das muss man mögen. Aber gerade dieser Spagat zwischen Pop und Postmoderne gelingt auf "Swing Lo Magellan" und macht die Band letztendlich aus. Nie mündet das Ganze in vollkommen starrer Verkopftheit und trotz all der Reflexion sind die Songs durchweg stark. Beim sommerlichen „Dance For You“ zeigt Longstreth das Leichtigkeit durchaus auch in seinem Repertoire vorhanden ist. Mit am stärksten ist auch der Titelsong: Ein direktes, folkiges Stück, das mit Akustik-Gitarre und ohne Harmoniegesang etwas aus der Reihe fällt. Das nächste Mal gerne noch etwas mehr davon.

Christoph Diepes

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