Rezension

Digitalism

DJ Kicks


Highlights: Surrender! – Travellers (Sharooz Remix) // Silenz // Housemeister – Sommer // The Rapture – Sail Away (Digitalism Remix)
Genre: Elektro // House // Rave // Rock-Einflüsse
Sounds Like: Yuksek // Midnight Juggernauts // Siriusmo // Tiga // Metronomy

VÖ: 29.06.2012

Kaum zu glauben, dass Digitalisms Debütalbum "Idealism" schon fünf Jahre auf dem Buckel hat. So lange ist es her, dass Jens Moelle und Ismail Tüfekci zusammen mit den anderen Vertretern auf Labels wie Ed Banger und Kitsuné anfingen, die Indiekids zum Raven zu bringen. Die Karriere der beiden nahm die Überholspur, und so redet trotz eines neuen Albums letztes Jahr heute von Justice fast keiner mehr, während Digitalism gerade eine extensive Welttournee hinter sich haben. Nun darf sich das Hamburger Duo in die illustre DJ-Kicks-Runde auf K7 Records einreihen, eine Ehre, die zuletzt etwa Apparat und Maya Jane Coles zuteil wurde. Im Zuge dessen gibt es nicht nur ein Set aus Fremdmaterial zu hören, sondern auch sechs eigene neue Songs.

Das Augenmerk des gesamten Mixes liegt dabei weniger auf einer bestimmten Stilrichtung, sondern primär auf Tanzbarkeit. Auch die eigenen Songs entfernen sich wieder vom auf dem letzten Studioalbum "I Love You, Dude" eingeschlagenen Weg des Rock-Appeal mit entsprechenden Songstrukturen, "echten" Lyrics, Livedrums und so weiter. Vielleicht ganz gut so, denn der beste Sänger ist Moelle nun wahrlich nicht. Stattdessen gibt es mal fettes Gebratze alter Digitalism-Schule ("Falling"), dann wieder eine Metamorphose hin zu neueren Crystal Castles ("Silenz") und in den restlichen vier Digitalism-Tracks mehr oder minder die Zwischenstufen. Um dieses Gerüst herum konstruiert das Duo das übrige Set, gewissermaßen als Spiegelbild seines persönlichen Werdegangs.

Der fängt in den frühen 80er-Jahren beim dissonanten Wave-Punk von Grauzone an, der sich, obwohl nur verlängert und soundtechnisch kaum modifiziert, erstaunlicherweise perfekt in den modernen Elektro-Mix einfügt. Dessen einziger Grundkonsens ist im Four-to-the-Floor auszumachen, das sich relativ stoisch durch das Set zieht. Zwar entsteht beim Opener "Menace" von Axel Le Baron & Kurbatov noch der Eindruck eines durchgängigen 2007er-Revivals, doch damit liegt man ziemlich daneben. Als Beispiel für die Brückenschläge auf der Scheibe sei der ansatzlose Übergang von Alex Gophers "Brain Leech" – gitarrenlastiger Indierock auf tanzbarem Offbeat – in den Housetrack "Summer" von TWR72 genannt. Hut ab vor den beiden, die mit ihrem feinfühligen Mixing ein so heterogenes Set zu einer Einheit ohne Risse formen können.

Doch auch viele der Songs selbst, teils von relativ unbekannten Künstlern, sind wertvolle Entdeckungen. Heraus sticht beispielsweise "Surrender! – Travellers" im Sharooz-Remix, das sich in gemächlichen 110 bpm wie ein Lastwagen durch den Stadtverkehr windet und doch perfekt tanzbar ist. Auch Housemeisters lockerer Beitrag "Sommer" weiß mit seinen kleinen Spielereien der Nintendo-Bauart zu begeistern. Und mit dem vor Pathos nur so triefenden Bombast-Remix von The Raptures "Sail Away" haben sich die beiden ein großes Ausrufezeichen als Einleitung des Grande Finale aufgehoben. Bei so einer Auswahl ist es fast schade, dass zumindest die Hälfte der sechs eigenen Songs etwas untergeht. Trotzdem steht diese DJ-Kicks-Ausgabe der Qualität früherer Episoden in nichts nach und wird den guten Ruf der Serie weiter fördern.

Johannes Neuhauser

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