Rezension

Damien Jurado

The Horizon Just Laughed


Highlights: Allocate // Percy Faith // Over Rainbows And Rainier // 1973 // The Last Great Washington State
Genre: Singer-Songwriter // Folk
Sounds Like: Elliott Smith // Nick Drake // Jason Molina // Bill Callahan // Neil Young // J. Tillman // Mark Kozelek

VÖ: 04.05.2018

Gut 20 Jahre ist es her, dass der Autor dieser Zeilen das bisschen Taschengeld, das er zu dieser Zeit besaß, in die Dorfsparkasse brachte und es in amerikanische Dollarnoten umtauschte. Um nämlich an die Platte einer bis dahin unbekannten Garagenband zu kommen, die weder eine Myspace noch einen Onlineshop besaß, musste Bargeld in einen Umschlag gepackt und dieser direkt an die Band adressiert werden. Mit ein bisschen Glück, unendlich viel Geduld, aber auch unglaublicher Vorfreude fand man die Platte dann auch tatsächlich Wochen später im eigenen Briefkasten, hörte von da an nichts anderes mehr und kam mit dem Brennen des Albums für den neidischen Freundeskreis kaum hinterher. Das alles kostete wahrlich Mühe, man war als Konsument gefordert und weil man gefordert war, kümmerte man sich. Es ging damals auch nicht ausschließlich um die Musik. Das Cover, das Artwork und eben all der ganze Aufwand waren den Songs an sich gleichwertig. Ganz zu schweigen vom vorhandenen Risiko, dass die Platte am Ende dann doch überhaupt nicht gefällt und das Taschengeld umsonst investiert wurde.

Was diese kleine Anekdote nun aber mit dem neuen Album „The Horizon Just Laughed“ von Damien Jurado zu tun hat? Auf den ersten Blick natürlich absolut gar nichts und doch steht diese Geschichte sinnbildlich für die Entwicklung des Musikkonsums in den letzten Jahren, die der amerikanische Songwriter im Vorfeld der Veröffentlichung seines Albums äußerst kritisch betrachtet. Im Mittelpunkt steht dabei die zentrale Frage, welchen Wert Musik überhaupt noch hat, wenn sie so einfach und massenhaft konsumiert werden kann, wie es auf Streamingplattformen ermöglicht wird? Welche Bedeutung wird den Künstlern für ihre Arbeit gezollt, wenn man für das Ergebnis ihres monatelangen Schaffens nicht einmal mehr das eigene Sofa verlassen muss und ein beschaulicher Mitgliedsbeitrag ausreicht, um unendlichen Zugang zu jeglicher Art von Musik zu erhalten? Natürlich ist es für einen einzelnen Künstler schwer bis nahezu unmöglich, sich gegen diese Entwicklung zu stellen. Und doch versucht Damien Jurado einen kleinen Beitrag zu leisten, und seinen Unmut darüber zum Ausdruck zu bringen. So stellt er sein nunmehr dreizehntes Album erst Monate nach dem offiziellen Release den bekannten Streamingplattformen zur Verfügung, während er Vorbestellungen dagegen Wochen vor dem offiziellen Release versendet. Zudem veranstaltete Jurado im Vorfeld der Veröffentlichung von „The Horizon Just Laughed“ mehrere Listening Parties an verschiedenen Orten, wo Fans und Freunde eingeladen waren und die Möglichkeit erhielten, gemeinsam das Album in seiner Gesamtheit anzuhören. Sie alle konnten also Zeuge davon werden, dass Damien Jurado erneut ein unfassbar gutes Album gelungen ist.

Ein Album, welches zum ersten Mal von Jurado selbst produziert wurde und im Gegensatz zur „Maraqopa-Trilogie“ deutlich reduzierter ausfällt. Die Songs auf „The Horizon Just Laughed“ bewegen sich zwischen melancholischen, minimalistischen Akustikstücken und spärlich instrumentierten Folksongs. Insgesamt unspektakulär, homogen, ohne größere Ausbrüche, und genau deshalb in sich so stimmig, unverwechselbar und zudem perfekt passend für Jurados unverkennbares und großartiges Songwriting. Es gibt wohl wenige Künstler, die mehr oder weniger kleinere Beobachtungen, Alltagsgeschichten und Erzählungen in so wundervolle Songs packen können wie der Künstler aus Seattle. Wäre „The Horizon Just Laughed“ vor über 20 Jahren erschienen, hätte der Autor mit Sicherheit wieder Dollarscheine in einen Briefumschlag gepackt und wochenlang geduldig und voller Vorfreude darauf gewartet, denn es ist so großartig geworden, dass es auch 2018 nicht nur als Datei auf Laptops, sondern als physisches Album in jede Plattensammlung dieser Welt gehören sollte.

Benjamin Schneider

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