Interview
Damien Jurado
Mit "Maraqopa" erschien gerade dein mittlerweile zehntes Studioalbum. Woher nimmst du immer noch die ganze Motivation, um Musik zu machen?
Damien Jurado: Ich weiß es nicht so genau. Ich glaube, die Songs tauchen in irgendeiner Form einfach auf. Und ich wüsste auch nicht, was ich sonst machen sollte. Musik ist das Einzige, was ich kann, und deshalb mache ich es.
"Maraqopa" ist der Name einer fiktiven Stadt, von der du geträumt hast. Warum hast du dich gerade für diesen Albumtitel entschieden?
Damien: Das ganze Album ist ein Konzeptalbum. Bei den bisherigen Alben beinhalteten die Songs meist unterschiedliche Geschichten, aber die Songs auf "Maraqopa" haben alle was mit dem Traum zu tun. Der Traum hatte viele Details, so dass letztendlich das ganze Album auf diesem Traum basiert.
Glaubst du an Traumdeutung?
Damien: Ja, natürlich. Und ich glaube, Songs existieren als eigene Wesen, sie sind eine Art eigene Lebensform. Alle Songs, die ich schreibe, sind eine Art Vorbestimmung für mich. Und deshalb sehe ich mich auch als eine Art Interpret oder Ausleger dieser Songs. Die Lieder drücken etwas aus und ich deute sie auf meine Weise. Und als ein Interpret bin ich eben nur der Vermittler zwischen dem Song und dem Publikum. Ich liefere also etwas, so wie etwa ein Postbote. Wenn du mir einen Brief schreibst, bringt mir der Postbote deine Nachricht, und übergibt dir dann wiederum meinen Brief an dich, verstehst du? Ich sehe mich selbst als eine Art Postbote, als Briefträger. Und deshalb bin ich auch nicht verantwortlich für meine Songs. Wenn in deinem Brief eine schlechte Nachricht steht, dann mache ich doch nicht den Briefträger dafür verantwortlich, sondern dich oder die Nachricht an sich. Wenn ein Song jemanden beeinflusst, dann bin nicht ich als Songwriter derjenige, der ihn beeinflusst, sondern vielmehr der Song. Wo auch immer der Song hingeht, nachdem er mich verlassen hat – es ist es nicht mehr in meinem Ermessen, was er tut.
Beeinflusst es dich dennoch, wenn du siehst, wie deine Songs beim Publikum ankommen?
Damien: Nein, nicht wirklich. Aber ich weiß, dass ich meinen Job gut machen muss. Und mein Job ist es nun mal, Songs zu überbringen.
Heißt das, dass du deine Musik vielmehr als Job und nicht eher als Leidenschaft bezeichnest?
Damien: Ja, es ist ein Job.
War es das schon immer?
Damien: Es wurde erst zu einem Job, denn ich war gut darin. Ich habe gemerkt, dass ich viele Songs schreiben konnte. Bevor ich angefangen habe, Songs zu schreiben, arbeitete ich in einer Druckerei. Und das Songwriting passierte einfach eines Tages, irgendwann '96, und das war es dann. Und '97 habe ich dann ja das erste Album releast. Aber es ist keine Leidenschaft, es gibt eindeutig Dinge, die ich mit mehr Leidenschaft tue. Musik ist nur Musik, was auch immer das heißen mag, das kümmert mich nicht. Aber das bedeutet nicht, dass ich nicht mein Bestes gebe, um die Songs zu überbringen. Denn genau das tue ich, ich gebe mein Bestes. Und das heißt nun mal auch, emotionale Songs zu schreiben.
Also wenn die Songs ein emotionales Wesen haben, überlieferst du sie auch mit Emotionen?
Damien: Ja genau. Stell dir vor, du arbeitest als Blumenhändler und sollst Blumen zu einer Mrs. Jones bringen, die gerade ihren Abschluss geschafft hat. Dann überbringst du diese Blumen mit einem Lächeln. Wäre aber ihr Ehemann gestorben, überbringst du die Blumen natürlich nicht mit einem Lächeln. Ich überbringe also genau das, was die Songs von mir verlangen.
Ich verstehe, was du meinst, aber ich kann es nicht glauben. Wie kannst du all diese Emotionen in einen Song bringen, wenn du es nur als einen Job ansiehst?
Damien: Es ist wie Schauspielerei. Es ist wie in eine andere Rolle zu schlüpfen. Jack Nicholson, Johnny Depp oder Brad Pitt spielen die Rolle eines Serienmörders, aber sie sind keine Serienmörder – sie sind Schauspieler. Aber sie müssen sich komplett in die Rolle eines Serienmörders vertiefen.
Demnach fühlst du dich in der Rolle eines Songwriters. Aber wenn ich an so traurige Songs wie "I Am Still Here" denke, ist das ehrlich gesagt nur schwer vorstellbar.
Damien: Weißt du, was komisch an der ganzen Sache ist? Ich denke nicht über das nach, was ich singe, ich lasse mich nicht von dieser emotionalen Ebene anstecken. Manchmal braucht es eine Weile, um zu erkennen, dass das, was ich singe, sehr emotional ist. Und das überrascht mich, aber ich nehme es nicht wirklich wahr. Ich realisiere nicht, was ich singe, denn wie gesagt, ich überbringe nur die Nachricht. Aber wenn ich sehe, um was es in den Songs geht, dann ist es schon seltsam, und ich frage mich, woher ich diese Gabe habe. Aber ich habe keine Beziehung zu diesen Songs, ich habe zum Beispiel nie jemanden verlassen oder bin einfach gegangen. Ich bin ein guter Vater, habe eine gute Beziehung zu meiner Frau, meinem Sohn und meinen Freunden. Aber ich schreibe Songs über Menschen, die jemanden verlassen oder unverantwortlich handeln. Aber ich weiß nicht, wie sich das anfühlt, ich bin nur der Überbringer.
Wow, dann bist du wahrscheinlich der beste Schauspieler der Welt.
Damien: (lacht) Weißt du, was witzig ist? Ich habe in der Vergangenheit Menschen getroffen, die meine Songs schon jahrelang gehört und mich dann getroffen haben. Und diese Menschen waren sehr überrascht, wie glücklich ich bin. Die dachten, ich sei die gleiche Person wie auf den Alben, aber das bin ich nicht.
So wie ein Nick Drake zum Beispiel.
Damien: Ja, aber Nick Drake war sehr depressiv, und so waren es auch seine Songs.
Hast du jemals daran gedacht, Songs zu schreiben, die einen persönlichen Bezug zu deinem Leben haben?
Damien: Nein, ich versuche das zu trennen. Ich möchte das nicht vermischen. Meine Musik ist meine Musik, meine Kunst meine Kunst und meine Familie meine Familie. Es würde verwirrend werden, vor allem für meine Familie und letztendlich auch für mich.
Wie gehst du eigentlich damit um, dass du trotz deines großen Talents und deiner vielen Alben nie wirklich berühmt wurdest? Irgendwie erinnert mich das immer auch ein wenig an die Geschichte von Townes van Zandt.
Damien: Du bist mit dieser Einschätzung nicht allein, viele meiner Fans denken ähnlich darüber. Aber du musst wissen, ich will das nicht. Ich will nicht so berühmt werden wie ein Ryan Adams oder Bon Iver. Ich habe keinerlei Interesse daran. Denn wenn du so berühmt bist, kannst du nicht an Orten wie diesen spielen (Anm. White Rabbit, Freiburg). Du spielst dann nur noch auf großen Bühnen ohne jegliche Intimität. Leute haben Erwartungen an dich und das will ich nicht. Ich will meine Umwelt selbst kontrollieren. Für mich reicht mir mein Erfolg völlig aus. Ich kann auf Tour gehen, meine Miete bezahlen, was brauche ich denn noch? Ich brauche nicht viel Geld oder Unmengen an Fans, ich bin glücklich so, wie es ist. Schau dir einen Townes van Zandt oder einen Nick Drake an, die waren nicht erfolgreich oder bekannt, als sie noch lebten. Aber sie sind zeitlos. Und ich will Songs schreiben, die zeitlos sind, die noch Generationen nach mir hören sollen. Ich will nicht nach den 90ern klingen, ich will nicht Musik fürs Jetzt schreiben. Ich möchte zeitlose Songs schreiben, die Leute noch in 30 bis 40 Jahren hören können. Adele zum Beispiel, sie verkauft Millionen Alben, aber wen kümmert das noch in zwei Jahren? Und so etwas möchte ich schlichtweg einfach nicht.
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