Rezension

Crystal Castles

(III)


Highlights: Wrath Of God // Affection // Transgender
Genre: Electro // Goth // Chiptune
Sounds Like: Health // Sleigh Bells // Adult.

VÖ: 09.11.2012

Eigentlich wollten die meisten sie ja nur scheitern sehen. Nachdem das selbstbetitelte Debüt 2008 gleichzeitig Höhepunkt und Grabstein des grellbunten New-Rave-Zirkusses markierte, war die Party schon bald vorbei. Gerüchte von Playback-Shows und plagiierten Samples gingen um. Fans der ersten Stunde fielen ab und spulten die „Ich hab's doch immer gewusst“-Nummer ab, während Heerscharen vergnügungssüchtiger Teenies die extrovertierte Alice Glass aufs Podest hievten. Das zweite Album von 2010 widersetzte sich sämtlichen Erwartungen – und war deshalb mit Liedern, die in ihrer Gegensätzlichkeit und Experimentierfreudigkeit einen Gegenpol zum recht eindimensionalen vorherigen Chiptune-Klang boten, auch ein künstlerischer Erfolg. Die Crystal Castles bedienten vollends den grassierenden Witch-House-Hype und spätestens als Robert Smith den Platinum-Blonde-Hit „Not In Love“ einschluchzte, waren auch Gothic-Ulf und -Ilse verkauft. Doch das Hexenhäuschen ist längst abgeknabbert und dieses Jahr kommen die Skeptiker endlich auf ihre Kosten.

Ja, das dritte Album (III) der Crystal Castles zeigt endlich Schwächen. Das Grundkonzept aus Lärm, Schmutz, Theaterschminke und menschlichen Abgründen steht immer noch. Allerdings hat die Band allzu Grobes und Anstößiges gestrichen. Weg mit überlangen Liedern, weg mit übersteuerten Klangexplosionen, weg mit Ideenfragmenten, weg mit der Experimentierfreudigkeit. Natürlich hört sich (III) trotzdem noch über weite Strecken wie die Kriegsberichterstattung auf CNN an, doch ein Zugeständnis an ein breiteres Publikum wird deutlich. Dies ist deshalb tragisch, da die Crystal Castles nie ein Zugeständnis an den Massengeschmack gemacht haben und es trotz abweisender und unzugänglicher Lieder wie „Deer Doer“ geschafft haben, flächendeckende Popularität zu erlangen.

Natürlich ist das Album musikalisch in Ordnung, da die einzelnen Lieder wegen des Vorgängers mittlerweile ungewohnt vertraut klingen. Die Vorabsingles „Plague“, „Wrath Of God“ oder „Affection“ funktionieren als alleine stehende Lieder sehr gut, im Albumkontext dagegen gehen sie unter. Nach der Nivellierung wirken die Songs zu stromlinienförmig und ununterscheidbar, um über 40 Minuten packen zu können: Ein nuancenloser Brei aus Geboller, Geplucker und Gekeife. Lediglich das völlig übersteuerte „Insulin“ sowie der obligatorische Leisetreter „Child I Will Hurt You“ am Ende tanzen aus der Reihe, können den Trott jedoch auch nur unzureichend auflockern.

(III) ist kein schlechtes Album, nur ärgert es, dass eine so experimentierfreudige Band sich hier absichtlich einengt. Natürlich klingen die Crystal Castles selbst 2012 noch absolut eigenständig. Trotzdem ist (III) bloß ein (II) light, eine kastrierte und glattgebügelte Fassung dessen, was die Band in erster Linie berühmt gemacht und ihre künstlerische Glaubwürdigkeit untermauert hat. (III) ist ein gefälliger Blender, effekthaschender Striptease ohne Seele und ein künstlerischer Rückschritt.

Yves Weber

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