Rezension

Crippled Black Phoenix

Great Escape


Highlights: Times, They Are Raging // To You I Give // Great Escape (Pt. I & II)
Genre: Progressive Rock
Sounds Like: die alten Dredg // Mogwai // Pink Floyd // Hope Of The States

VÖ: 14.09.2018

Manchmal fällt es schwer, einen Silberstreif am Musikhorizont zu sehen. Wenn Plastiksänger und Casting-Bands die Übermacht zu ergreifen scheinen, die meisten Songs beim Streamen geskippt werden und über den Äther eine Heavy-Heavy-Heavy-Rotation läuft. In solch düsteren Momenten sind frische Klänge wie die von Crippled Black Phoenix Balsam für die geschundene Seele. 73 Minuten und 20 Sekunden lang ist das Album “Great Escape” und jede Sekunde davon ist ehrliche Musik. Hier geht es nicht darum zu gefallen, Klicks zu generieren und den größtmöglichen Profit zu machen. Hier geht es vielmehr darum, mit Herz und Verstand Gefühle zu transportieren. Ernste Gefühle.;

Dass es gerade diese düsteren Songs sind, die für einen Lichtstreif sorgen, ist paradox. Noch paradoxer wird es, wenn man liest, dass Mastermind Justin Greaves an schweren Depressionen erkrankt ist. Vielleicht bedarf es solcher Nähe zum Abgrund, um etwas Großes zu schaffen. Die Geschichte kennt jede Menge Beispiele großer Künstler in ähnlich ambivalenten Verhältnissen.

Ambivalent ist auch der Sound auf “Great Escape”. Die Übergänge zwischen den Genres zerfließen. Irgendwo zwischen Stoner Rock, Progressive Rock und Psychedelic Rock angesiedelt, aber dann doch wieder ganz anders. Bereits der Opener ist kein richtiger Song, sondern eine Montage von Zitaten. Dann der Schluss des 12-Minüters “Times, They Are Raging”: Erst toben die Gitarren, bevor es plötzlich ganz leise wird und ein Klavier und ein Akkordeon für Gänsehaut sorgen. Richtig groß wird es am Ende bei den abschließenden “Great Escape (Pt. I)” und “Great Escape (Pt. II)”, für deren Magie sich schwerlich Worte finden lassen.;

Die Spannung der Gegensätze hält über die gesamte Länge des Albums, weil die Gegensätze nicht zum Selbstzweck eingebaut wurden, sondern ganz harmonisch und natürlich Teil des Klangkosmos von Crippled Black Phoenix sind. Das hat etwas Wetterhaftes, wie das Aufziehen und Verschwinden schwerer Regenwolken; wie ein Sturm, der stärker wird und dann wieder abflaut. Wenn das Songwriting hinter solchen Zyklen verschwindet, darf man von einem Meisterwerk sprechen. Einzig die Synthesizer – wie in “Slow Motion Breakdown” – wirken etwas aufgesetzt. Aber das ist einerseits Geschmackssache und stört andererseits nicht den hervorragenden Gesamteindruck.

Mischa Karth

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Great Escape (Pt. I)

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