Rezension
Crippled Black Phoenix
200 Tons Of Bad Luck
Highlights: Burnt Reynolds // Wendigo // A Real Bronx Cheer // A Hymn For A Lost Soul
Genre: "Endtime Ballads"
Sounds Like: This Is Your Captain Speaking // September Malevolence // A Silver Mt. Zion // If These Trees Could Talk // Aerogramme // Coheed & Cambria
VÖ: 24.04.2009
Man stelle sich nur mal vor, man würde morgens aufwachen, sich den Kopf an der Dachschräge stoßen und dabei erschrocken feststellen, dass man einen wichtigen Termin verschlafen hat. Dann ist auch noch das Bad besetzt, wenn man sich schnell fertig machen möchte. Auf dem Weg nach draußen läuft einem eine schwarze Katze vor die Füße, und im schlimmsten Fall stolpert man auch noch. Dann bemerkt man, dass das Fahrrad einen Platten hat, und beschließt kurzerhand, doch zu Hause zu bleiben, da alles keinen Sinn mehr hat. Man geht zurück in die Wohnung, in der man sich am liebsten den ganzen Tag verkriechen möchte. Aber kurze Zeit später klingelt es an der Tür. Mit der Hoffnung auf einen Lichtblick öffnet man sie erfreut, weil man glaubt, es sei der Paketmann, und wird stattdessen von einem schief grinsenden GEZ-Beauftragten begrüßt. Wenn man abergläubisch wäre, könnte man meinen es sei Freitag der 13. Oder es einfach unter dem Namen „200 Tonnen Unglück“ zusammenfassen. Genau darum dreht sich nämlich alles auf dem neuen Album von Crippled Black Phoenix.
Dem Leben gegenüber besonders positiv eingestellt, scheinen die Herren und die Dame ja nicht zu sein, wenn man sich ihre Album-Titel so anschaut. Nach dem Debüt „A Love Of Shared Disasters“ folgt nun „200 Tons Of Bad Luck“. Und dann bezeichnen sie ihre Songs auch noch als “endtime ballads”. Das allerdings sollte nicht allzu negativ aufgefasst werden. Einerseits soll es zwar die leicht makabere und morbide Seite ihrer Songs beschreiben, aber andererseits auch ausdrücken, dass durch die ungewöhnliche Mischung aus den verschiedenen Stilen der Bandmitglieder ihrer Meinung nach die finale Evolution in der Musikgeschichte erreicht wurde, und das klingt doch wiederum schon beinahe nach dem Nirwana.
Die Stile der Bandmitglieder sind in der Tat vielfältig. Das sollte aber auch nicht anders sein, denn bei einer variierenden Anzahl von fünf bis acht Mitmusikern kommen einige Einflüsse zusammen. Angefangen hatte alles im Jahre 2004. Da begann Drummer Justin Greaves (Iron Monkey // Teeth Of Lions Rule The Divine), Songs aufzunehmen, die ihm seit einigen Jahren im Kopf umher schwirrten. Unterstützt wurde er dabei von seinem guten Freund und Mogwai-Bassist Dominic Aitchison. Mit der Zeit betraten und verließen einige Musiker befreundeter Bands den Zirkel des Crippled Black Phoenix, so dass heute die Band aus sieben Herren und einer Dame besteht.
Zeitlosigkeit, Ehrlichkeit und aufgebahrte Tragödien, dazu Geschichten aus der literarischen Vergangenheit vermischt mit persönlichen Erinnerungen an Verluste und an die Liebe. All das spielt bei Crippled Black Phoenix eine große Rolle. Gewichtige Themen also, die von genauso gewichtiger musikalischer Begleitung getragen werden sollten. Und das werden sie, auf „200 Tons Of Bad Luck“.
Nach acht Minuten melancholischen Einklangs und mitreißenden Männerchören wurde dem Intro („Burnt Reynolds“) eine 40 Sekunden währende Hintergrundmusik aus Spieluhr- und Marsch-Musik-Melodien angehängt. Während der erste Teil des Liedes äußerst dramatisch wirkt, lässt der Ausklang eine Prise Ironie und Humor in der Luft hängen. „Rise Up And Fight“ im Anschluss daran klingt schon viel weniger wehmütig und stattdessen nach wuchtigem Rock. Nachdem gejammert wurde wird der Ärger nun also herausgeschrien. Zusätzlich versüßen quietschige Gitarrenläufe die Bitterkeit ein wenig. „Time Of Ye Life / Born For Nothing / Paranoid Arm Of Narcoleptic Empire“ sollte man sich unbedingt ganz genau anhören, wenn man tatsächlich mal einen schlechten Tag hat. Die ruhig erzählende Männerstimme strahlt eine solche Lebensweisheit aus, dass man ihre guten Ratschläge nur allzu gerne befolgen möchte. Nach fünf Minuten Erzählzeit geht es rein instrumentell weiter. Eine klagende Melodie, gepaart aus Streichern und Moll-Tönen einer Gitarre setzt ein und wagt sich bis zur 18. Songminute abwechselnd in schwindelerregende Höhen oder deprimierende Tiefen.
Facettenreichtum wird auf „200 Tons Of Bad Luck“ ohnehin groß geschrieben. In „444“ geht es plötzlich unerwartet poppig zu, in „A Real Bronx Cheer“ wird die Filmmusik zum Jahrmarkt-Zirkus zwischengespielt, in „A Hymn For A Lost Soul“ bringt ein englischer Chor ein Ständchen, und in „A Lack Of Common Sense“ wird der Hörer in ein verstörendes Hörspiel gerissen. Wenn die Musik von Crippled Black Phoenix eines ist, dann auf jeden Fall ein Berg von Emotionen, Dramatik und Tiefgründigkeit. Gut überwindbar ist dieser Berg nicht, aber wer etwas Bewegendes geboten haben möchte, sollte versuchen, ihn zu erklimmen und sich hierauf einlassen.
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