Konzertbericht

Crippled Black Phoenix


Hat Mutter Erde eines Tages keinen Bock mehr und tritt die Apokalypse los, sind inzwischen schon einige Soundtracks zum Spektakel in der Welt. Godspeed You! Black Emperor feiern das Ende der Zeit als prunkvolles Fest in völliger Dunkelheit, Wolves In The Throne Room holen die Unterwelt an die Oberfläche und lassen den totgeweihten Globus vom lodernden Flammenmeer verschlingen. Viel zu oft vergessen wird aber der Entwurf von Crippled Black Phoenix. Wieso eigentlich?

Deren Kreativkopf Justin Greaves betont doch sogar regelmäßig, seine Band schreibe Endzeit-Balladen. Große Worte. Mit Rechtfertigung? Der sicherste Test bleibt das Konzert.

Den Aufwand scheuen sie schon mal nicht: Zu siebt betreten Crippled Black Phoenix die beschaulichen Bretter des Café Glocksee. Und gleich zu Beginn steht eine monströse Wand aus Klängen: "Troublemaker" ist ein Schlepper mit dem Gewicht einer Gebirgskette. Lange halten mächtige Gitarren ihre Akkorde, Joe Volks leidet dazu mit einer Stimme, die auf dem Gig nach einigen Stangen Marlboro mehr klingt als auf Platte.

Was beim Vergleich direkt zu Beginn dämmert: Hier ist ja mehr Hardrock drin als gedacht – sei es der von Nebelschwaden ummantelte Galopp von "Rise Up And Fight", der poppige Prog von "Of a Lifetime", dem die neue Keyboarderin Daisy Chapman mit rauem Gesang den passgenauen Anstrich verpasst – oder eben "Release The Clouds", ein taufrischer und live bis dato unerprobter Stampfer, bei dem Köpfe schon mal mitnicken. Groß! Der andere Neuling in der Setlist heißt "Heart of The Country" und wildert ganz woanders. Das Herz des Landes – in ihm liegt offenbar ein Wald, den nie ein Licht der Welt erreicht. Ja, das kommende Album "(Mankind) The Crafty Ape" verspricht Kolossales.

Ab Setmitte fällt dann langsam der nächste Groschen: Glanzlichter flackern hier nicht einzeln auf, diese Sieben haben genug Saft für ein konstantes Leuchten. Es ist eine dieser Live-Bands, bei denen sämtliche Teile ineinander greifen. Bemerkenswert: Kopf Justin Greaves ist kein Diktator mit Kaiser-Ego, sondern mit seiner Rhythmusgitarre oft Basis eines Songs – eben der Typ, der heimlich die Fäden zieht. Beim schauderhaft-schönen "Burt Reynolds" gelingt es Crippled Black Phoenix sogar, einen Chorgesang komplett ans Publikum abzugeben. Da ist auf einmal alles gedreht, die Band macht nicht mehr, sondern lauscht. Ein ergreifendes und markerschütternd schönes "We Forgotten Who We Are" trägt die Intensität weiter. Irgendwann folgt die erste Zugabe, eine, die auch Gorgol Bordello gestanden hätte. Und dann kündigt Justin Greaves den letzten Song an.

Sänger Joe Volk sagt's dann tatsächlich: "Dieser Song wird so lange dauern wie der Rest eures Lebens". Der bemisst sich auf etwa 20 Minuten und ist "Time of Ye Life / Born For Nothing / Paranoid Arm of Narcoleptic Empire" getauft. Ein Finale, ein Drama, ein Epos. Pink-Floyd-Synthies, Klavierflächen, Tribal-Drumming und ein donnernder Abschluss mit einer Gletscherwand an Gitarren, die zur Lawine gen Abgrund wird.

Nach zwei mächtigen Stunden ist Schluss und es macht ein letztes Mal "Klick": Denn auch bei dieser Version der Endzeit ist das Ende unaufhaltsam, keine Frage. Doch Crippled Black Phoenix gelingt es, dem Ende Romantik zu verleihen. Etwa so, als würde dich diese Band flüsternd beruhigen, während sie dir ein schwaches, aber doch tödliches Gift einflößt. Ja, sie schreiben eben Balladen, keine Post-Rock-Epen. Ein feiner Unterschied.

Gordon Barnard