Rezension
Clutch
Psychic Warfare
Highlights: Your Love Is Incarceration // Sucker For The Witch // X-Ray Visions
Genre: Stoner Rock // Bluesrock
Sounds Like: Monster Magnet // Danko Jones // Red Fang
VÖ: 02.10.2015
Ein grandioses Debütalbum und vielleicht noch ein ordentliches zweites Album veröffentlichen und dann in der Bedeutungslosigkeit versinken – Bandbiographien wie diese gibt es zahllose. Erstmal ein paar Jahre als Underground-Geheimtipp rumdümpeln und mit dem zehnten Album dann breitenwirksam abräumen – das ist eine Geschichte, die nicht ganz so oft erzählt wird. Die Karriere von Clutch fasst sie aber ganz gut zusammen: Schließlich lieferten die Arbeitstiere aus Germantown/Maryland 2013, satte 22 Jahre nach der Bandgründung, mit "Earth Rocker" den vorläufigen kommerziellen und qualitativen Höhepunkt ihrer Diskographie ab. Schwer zu sagen, ob sich das abseits der Bühne immer leicht schluffig und maximal entspannt wirkende Altherrenquartett von solchen Superlativen unter Druck setzen lässt. Auf "Psychic Warfare", dem Opus Numero Elf, ist davon jedenfalls nichts zu spüren.
Laut Frontmann Neil Fallon haben Clutch zwischenzeitlich eine essenzielle Weisheit über ihre Musik gelernt: "Wir hatten lange eine sadistische Furcht davor, uns zu wiederholen und wollten auf jedem Album alles anders machen. Irgendwann haben wir unsere Stärken erkannt und begriffen, was Leute an uns mögen. Clutch sind Clutch – man muss mit dem arbeiten, was man hat." "Psychic Warfare" bietet daher hörbar Clutch in Reinkultur, was man sich am besten bildlich vorstellt: Tim Sult spielt mit Truckerkäppie und gesenktem Blick funkige, manchmal austauschbare und trotzdem irgendwie geile Riffs und nicht ganz so geile, eher zweckdienliche Soli. Jean-Paul Gaster thront wie ein Rhythmus-Buddha hinterm Schlagzeug und groovt wie Hölle, ohne auch nur einen Hauch von Anstrengung zu zeigen. Dan Maines' Bass fällt immer dann auf, wenn er nicht da ist. Und Neil Fallon – tja, Neil Fallon ist wie immer ein Phänomen: ein wortgewaltiger Dichter und Prediger, gefangen im Körper eines schwarzbärtigen, raubeinigen Seemanns mit Anger Issues. Gitarre, Schlagzeug, Bass, Gesang und sogar der gleiche Produzent wie bei "Earth Rocker": Nein, auf Experimente lassen sich Clutch diesmal wahrlich nicht ein. Tatsächlich waren sich noch keine zwei ihrer Alben so ähnlich wie "Psychic Warfare" und sein direkter Vorgänger.
Ein Vorwurf? Mitnichten, wenn dabei dermaßen knackige Songs rausspringen. Die Zielstrebigkeit und Spielfreude, die schon "Earth Rocker" nachhaltig Feuer unterm Hintern machte, zieht sich auch durch "Psychic Warfare" und sorgt vor allem in der ersten Hälfte für Glücksmomente im Halbminutentakt: Mit wahnwitzigem Verschwörungstheoretiker-Storytelling in "X-Ray Visions" und generellem lyrischen Irrwitz an der Grenze zum Surrealen. Mit unwiderstehlichen Ausrast-Refrains in "Firebirds" und dem in jeder Hinsicht fantastischen Rock-Hit "Your Love Is Incarceration". Mit der majestätischen Erhabenheit von "Our Lady Of Electric Light", einer Art Motorradclub-Version von "Stairway to Heaven" samt schluchzender Leadgitarre. Clutch mögen sich vielleicht keine Gedanken mehr um Innovationen im Sound machen. Die dabei freigewordene Energie scheint aber direkt ins Songwriting zu fließen, wo sie bestens aufgehoben ist. Wer das nicht glaubt, lasse sich von "Noble Savage" durchföhnen oder versuche mal, bei "Sucker For The Witch" sitzenzubleiben.
Leider fällt die Spannungskurve gegen Ende der Platte trotzdem ein wenig ab: Der Rausschmeißer "Son Of Virginia" etwa klingt zwar immer noch unüberhörbar nach Neil Fallon und Konsorten, bietet aber auf über sieben Minuten zu wenig Griffiges. Ähnliches gilt für den "Decapitation Blues", dem eine ordentliche Hookline gut getan hätte. Dank der Hitdichte in der ersten Albumhälfte ist das bisschen Mittelmaß aber verzeihlich.
Eines Tages werden Clutch die Schnauze gestrichen voll haben von den ewigen Alte-Säcke-mit-Gitarren-Sprüchen. Solange sie weiterhin Platten wie "Psychic Warfare" veröffentlichen, bleiben sie bis dahin aber die frischesten und tightesten alten Säcke im Rock und in Sachen Qualität weitgehend eine sichere Bank. Oder mit den Worten von Neil Fallon: "Clutch sind Clutch."
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Rezension zu "Earth Rocker" (2013)
Rezension zu "Strange Cousins From The West" (2009)
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