Rezension

Built To Spill

Built To Spill Plays The Songs Of Daniel Johnston


Highlights: Bloody Rainbow // Mountain Tops // Life In Vain // Queenie The Dog
Genre: Alternativ Rock // Folk
Sounds Like: Guided By Voices // Pavement // The Beatles // The Kinks

VÖ: 01.05.2020

Auf der letzten Tour des großen Künstlers Daniel Johnston begleiteten ihn Bands, die durch ihn beeinflusst wurden, wie Wilco und Built To Spill. Ihm zu Ehren veröffentlichen Built To Spill nun ein Cover-Album mit Songs, die sie für die Konzerte eingeübt haben. Entstanden ist eine wunderbare Fusion aus Built To Spills Gitarrensounds und dem unfassbaren Songwriting einer Legende, die letztes Jahr verstarb. Doch bevor wir in das Album einsteigen: Wer ist diese Legende, die Eels, Neutral Milk Hotel und Beck beeinflusst hat und von David Bowie bewundert wurde? Und, warum kennen ihn so wenige?

Alles begann 1984, als Johnston bei McDonald’s arbeitete und den Gästen seine Tapes gab. Unter anderem handelte es sich dabei um das zerbrechliche Lo-Fi-Meisterwerk „Hi, How Are You“, welches mit Songs wie „Walking The Cow“ ein Meilenstein des späteren Indie-Folk wurde. Johnston selbst wurde von den Beatles geprägt und wollte ihren Sound rekonstruieren. „I’m Daniel Johnston, and I’m gonna be famous“ soll er jedem gesagt haben, der sein Tape zu einer Burger-Bestellung bekam. Wirkliche Berühmtheit in der breiten Öffentlichkeit ist es nicht geworden, aber ein Held der Indie-Szene mit einem großen Herz für die etwas anderen Künstler ist er geworden.

Wer sich mit Johnston auseinandersetzt, findet neben der großen, wunderschönen und zerbrechlichen Musik schnell viel zu seiner Krankheit. Seine starken bipolaren Störungen haben seinen Weg als Künstler geprägt und vielleicht auch den großen Durchbruch verhindert. Seine Angst vorm Teufel hat ihm einen Plattenvertrag gekostet (Elektra hatte Metallica unter Vertrag, welche laut Johnston vom Teufel besessen waren) und dass er dachte, er wäre Casper, der freundliche Geist, einmal fast das Leben (als er während des Flugs einen Steuerungsschlüssel aus dem Flugzeug seines Vaters warf). Diese Geschichten haben leider natürlich etwas Voyeuristisches, aber verändern das Verständnis der Musik, wie beispielweise beim Song „Casper, The Friendly Ghost“, grundlegend. Der fragile Charakter Johnston wird von seinem Stil genau wiedergegeben durch die zerbrechlichen Klänge. Dies führt zu einer vielleicht nie dagewesenen Authentizität zwischen Musiker und Werk. Auch David Bowie bewunderte, dass Johnstons Musik so klinge, als würde er die Songs nur für sich selbst aufnehmen.

Für kurze Zeit sah es nach einigen Klinikaufenthalten so aus, als würde sich das Blatt doch noch wenden. 1992 trug Kurt Cobain ein „Hi, How Are You“-Shirt von Daniel Johnston bei den MTV-Awards und Johnston erlangte etwas Bekanntheit und konnte daraufhin mit „Fun“ sein erstes Major-Label-Album veröffentlichen – was die Verkaufszahlen anging, war es nur ein mäßiger Erfolg, aber seine Fangemeine wuchs. Leider verschlechterte sich zeitgleich seine psychische Verfassung und es wurde ruhiger um Johnston, auch wenn dieser weiter tourte und neue Musik machte.

Dass sich sein Werk wunderbar für Cover eignet, konnte schon 2004 unter Beweis gestellt werden mit einem Doppelalbum mit Songs von Johnston selbst und jeweils einer Version eines anderen Künstlers, wie Beck, Tom Waits oder Bright Eyes. Der unperfekte, gebrochene Sound, das tolle Songwriting und zum Teil schlechte Aufnahmen bieten viel Potential und Spielraum für andere Künstler. Nun versuchen sich Built To Spill an seinem Werk und zeigen mit viel Gefühl und einer für die Gitarren-Helden unüblichen Leichtigkeit, dass sie eine tolle Brücke zwischen Johnston und ihrem eigenen Stil schlagen. Selten können Coversongs und Alben so gut sein und so etwas Schönes, Neues erschaffen. Die Platte hat keine Schwäche und wirklich jeder Song sitzt – kein Wunder bei dem unheimlichen Fundus von Daniel Johnston. Schön an der Songauswahl ist zudem, dass Johnstons einziger bekannter Hit „True Love Will Find You In The End“ nicht gecovert wurde. Das haben schon Beck, Wilco, Jeff Mangum und so weiter gemacht – doch das Original bleibt hier immer die beste Version.

Auf der Scheibe finden sich richtig tolle Perlen und mit „Bloody Rainbow“ gehen Doug Martsch und Co direkt in die Vollen. Eine tolle Mischung aus gutem 90er-Jahre-Alternative-Rock, Folksongs und klassischer Pop-Rockmusik – vielleicht hört man sogar die Beatles. Sperrigkeit, wie man sie von Built To Spill auch kennt, gibt es nicht. Alles geht direkt ins Ohr, „Mountain Tops“, „Queenie The Dog“ und viele weitere werden dort noch lange verweilen. Mit den Songs fühlt man sich von Anfang an wohl und braucht keinen Anlauf, um warm zu werden, egal ob einem das Johnston-Original bekannt ist oder nicht.

Bei „Fake Rock’n’Roll Records“ lebt die Band dann doch einmal etwas ihren Alt-Rock-Gitarren-Sound aus und bietet damit einen schönen Kontrast zum ansonsten homogenen Album. Insgesamt ist es ein wunderbarer Nachruf auf eine Legende geworden, der gar nicht wie ein Cover-Album klingt, sondern einfach nach einer tollen Alternative-Scheibe, die schon sehr lange im Plattenschrank steht und endlich mal wieder aufgelegt wird.

Marian Krüger

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Built to Spill - Bloody Rainbow

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