Rezension

Arcade Fire

Funeral


Highlights: Neighborhood#1 (Tunnels) // Wake Up // Rebellion (Lies)
Genre: Indie // Folk
Sounds Like: Modest Mouse // Broken Social Scene

VÖ: 14.03.2005

Ein paar Leute hauen ab aus ihren Heimatnestern und lassen sich zusammen in Montréal nieder um dort mit einigen Einheimischen Musik zu machen. Zwei verlieben sich und heiraten, doch ihr Glück wird immer wieder durch Todesfälle innerhalb ihrer Familien erschüttert. Um die Schicksalsschläge zu verarbeiten, nennen sie ihr erstes Album ironischerweise "Funeral". Das sie damit ein musikalisches Meisterwerk schaffen würden, hätten sie wohl nicht im Traum vermutet.

Das hier ist ganz große Kunst, was musikalische Arrangements und Vielseitigkeit angeht und dürfte die Messlatte in dieser Beziehung ein gutes Stück nach oben legen. Überall schießen neue Klangkaskaden hervor um mal das Tempo zu forcieren, eine völlig andere Grundstimmung in den Song einzufügen, oder in unglaublich intensiven Steigerungsläufen zu explodieren. Man fühlt sich wie auf einer Entdeckungsreise im Reich der Musik. Die Reiseleiter das bereits erwähnte Ehepaar Win Butler / Régine Chassagne. Er, der unscheinbare Frontmann mit einer teilweise voll Verzweiflung zerbrechender Stimme und Sie, die wie die Faust aufs Auge passende zweite Hälfte, die scheinbar jedes Instrument der Welt zu bedienen weiß und über eine schlichtweg zauberhafte Stimme verfügt. Überhaupt, die Mitglieder von The Arcade Fire als Multiinstrumentalisten zu bezeichnen wäre eine glatte Untertreibung.

Wer glaubt, "Funeral" würde seinem Namen alle Ehre machen, sieht sich schnell eines besseren belehrt. Das hier ist keinesfalls Trauermusik im herkömmlichen Sinne! Man versucht vielmehr Trauer, Melancholie und Schmerz mit Freude und Hoffnung zu verschmelzen. Dies gelingt dabei so gut, dass man manchmal nicht weiß, ob die Träne im Auge nun von der Traurigkeit oder von der Schönheit der Musik herrührt. Wahrlich eine Achterbahn der Gefühle, die man da durchleben muss und bei Gott auch will. Als ob das noch nicht genug wäre, zaubert man nebenbei auch noch Texte aus dem Hut, die den Mund weit offen stehen lassen. "If You Still Want Me, Please Forgive Me, The Crown Of Love Is Not Upon Me" Das ist wohl der Satz, den bisher jeder Verlassende gesucht hat.

So hört man sich durch zehn Songs des getexteten und vertonten Lebens und realisiert dann plötzlich, wie schön die Welt eigentlich ist. Ja, man kann es durchaus als psychische Aufbauhilfe bezeichnen, was The Arcade Fire hier darbieten. Die nächsten schlechten Zeiten kommen bestimmt, hier ist die Medizin.

Benjamin Köhler

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