Rezension

And So I Watch You From Afar

And So I Watch You From Afar


Highlights: Clench Fists, Grit Teeth...GO! // I Capture Castles // If It Ain't Broke, Break It // Don't Waste Time Doing Things You Hate
Genre: Math-// Post-// Noise-// Rock
Sounds Like: Don Caballero // Battles // Biffy Clyro // The Antikaroshi // Mogwai

VÖ: 02.05.2009

Exkurs in die Antike: Bitte einmal vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn der gute alte Theseus damals im Labyrinth des Minos nicht den Faden der Ariadne zur Orientierung dabei gehabt hätte und statt nur einem Minotaurus zwanzig von den Viechern darin herumgeschlurft wären. Für die Meisten ist das Todesangst, aber mit ein bisschen Galgenhumor wird daraus: Nervenkitzel pur!

So betrachtet ist man schon recht nah daran, wie es sich anfühlt, in diesem selbstbetitelten Debüt von And So I Watch You From Afar abgeworfen zu werden – stets mit der Gewissheit, dass hinter dem nächsten Takt Wände aus tinnitusaffinen Gitarren zum Niedermähen des Verirrten bereit stehen könnten. Denn immer wenn diese vier Typen aus Belfast zu einem Song ansetzen, ist ganz und gar nicht sicher, was mit dem Ding im nächsten Moment passiert.

Diese Band hat das alte Spiel von laut und leise schon gespielt und sich für eine der Seiten entschieden. Was nicht heißt, dass Ruhepassagen in diesem 64-minütigen Irrgarten ausbleiben würden. Nur sind sie hier nie einem lange auf sich warten lassenden Höhepunkt untergeordnet, sondern bieten Gelegenheit zum Luftholen, bis der nächste Takt- oder Rhythmuswechsel an eine neue Kreuzung aus Möglichkeiten führt. Und die bestehen in quirligen Melodieläufen der Marke Don Caballero, krummen Riffs der Spielart Biffy Clyro oder jenen Dezibeleskapaden à la Mogwai. Stimmungswechsel von psychedelisch über stockfinster zu vollkommen gehetzt laufen da fast nebenbei ab. Dass bei so viel Dynamik die Rhythmusabteilung nicht etwa untergeht, sondern durch beliebiges Umschalten zwischen Kopfnicken und Epilepsieanfall noch zusätzliche Impulse liefern kann, macht diese Platte um ein weiteres Stück spannender. Und führt zu einer Ideendichte, die keinerlei Platz für Gesangspassagen lässt.

Momente, in denen es die vier Nordiren übertreiben, gibt es ebenfalls hin und wieder – wie zum Beispiel im programmatisch betitelten Opener "Set Guitars To Kill". Außerdem eigenartig, dass kurz vor Schluss mit "The Voiceless" und den ersten drei Minuten des abschließenden "Eat The City, Eat It Whole" in traditionellen Post-Rock-Gefilden gewildert wird, die im Verhältnis zum Rest der Platte nicht sonderlich spektakulär wirken. Aber diese Band wäre nicht sie selbst, würde sie am Ende nicht noch einmal alle Regler aufreißen und das ganze Labyrinth in Trümmer zerlegen.

Würzen die ihren Kaffee eigentlich mit Speed anstatt mit Süßstoff? Naja, einfach mal einen Blick auf das Plattencover werfen: abgredeht, düster, postmodern. Und es harmonisiert zudem bestens mit der Musik. Math-Rock mit Hirn und Eiern – der uns auf diese Weise zeigt, was instrumentale Musik in Zeiten des Postrock-Überflusses auch sein kann: atemberaubend statt langatmig.

Gordon Barnard

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