Rezension

Amplifier

The Octopus


Highlights: The Wave // The Octopus // Interstellar // Fall Of The Empire
Genre: Prog-Rock
Sounds Like: Tool // Oceansize // Porcupine Tree // Kyuss

VÖ: 28.01.2011

Wie es oft so schön heißt, platzen Knoten gerne mal. Damit Knoten das überhaupt können, muss sich vorher erst einmal Einiges an Druck aufbauen. Ein Gefühl der Einengung entstehen. Viel Unzufriedenheit anstauen. Oder einfach gleich alles auf einmal. Als Amplifier jedenfalls 2006 von ihrer Plattenfirma zur überhasteten Veröffentlichung von „Insider“ geprügelt wurden, wäre die Band frustbedingt beinahe Geschichte gewesen. Mächtig verschreckt vom Musikbusiness kam aber die Kehrtwende: Runter vom Label, rein in die Blaumänner. Mission: eigenes Studio bauen. Und dann endlich mal wieder machen, wonach einem der Sinn steht.

Als Ergebnis platzt der kreative Knoten dieser Band nicht nur. Er detoniert, inklusive Atompilz: Ein Doppelalbum, also zweimal acht Songs oder zwei ganze Stunden Musik – das ist nun aus drei Jahren Jam-Sessions und Studionächten geworden. Meine Damen und Herren, erstarren Sie schon mal in Ehrfurcht. Auf „The Octopus“ machen Amplifier jetzt, was sie wollen. Nach Muse klingen, zum Beispiel, so richtig mit Chören, Klavieren, Trompeten und allem, was Popmusik noch so bombastisch macht. „Minion Song“ schießt so gleich mal übers Ziel hinaus, mit dem folgenden „Interglacial Spell“ geht „The Octopus“ dann erst richtig los: Die bleischweren Riffs, der grollende Bass, das mächtige Schlagzeug und Sam Belamirs klare, hymnische Stimme – das sind wieder die Amplifier vom mächtigen Debüt. Ihnen gehört die erste Hälfte von „The Octopus“.

Die Drei aus Manchester lassen ihrem Gespür für Grooves wieder freier den Lauf als auf dem angestrengten Vorgänger. Die nächtelangen Jams, die das Fundament für „The Octopus“ legten – man hört sie heraus. Und das macht dieses Magnus Opus schneller griffig als erst einmal vermutet. Riffs sind es, die immer wieder mitreißen und in einen Strudel aus verspieltem Instrumental-Wahnsinn hineinsaugen. Schleppende Drums verwachsen mit stockdusteren Bässen („The Octopus“) oder die Gitarre spielt sich leidenschaftlich ins Scheinwerferlicht („Trading Dark Matter On The Stock Exchange“). Das ist bewährt, das läuft.

Auf dem zweiten Teil der Platte schauen sich Amplifier in manch neuem Gefilde um: Der quere Beat von „Bloodtest“ droht mit dem großen Ausbruch, nur um ihn zu verweigern. „Oscar Night // Embryo“ holt gar eine Akustikgitarre ins Boot, in „The Sick Rose“ adaptiert die Band das gleichnamige Gedicht von William Blake. Was auf beiden Hälften fehlt, sind aber klar erkennbare Melodien. Und diejenigen, die da sind, walzen Amplifier mit ihrer kolossalen Phalanx aus Instrumenten und Arrangierwut nieder, als wären sie aus Styropor. Da fehlt bei aller Gewalt so manches Mal der Halt.

Gut möglich, dass eine Platte hier auch das Soll erfüllt hätte. Doch für die Band musste „The Octopus“ so raus, in all seiner Masse. Allein schon als Ego-Spritze, nachdem „Insider“ selbst mit der Erwartung der Band brach. „The Octopus“ hingegen funktioniert – auch als Doppelalbum. Jetzt, wo die Band ihr eigener Herr und Meister ist, kann ihr höchstens der Tunnelblick zum Verhängnis werden. Aber der ist auch nur ein weiterer Knoten, der danach schreit, zu platzen.

Gordon Barnard

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