Interview

Of Montreal


Sänger Kevin Barnes unterstrich seine Diva-Mentalität, indem er kurz vor Interviewbeginn einen Rückzug machte. Doch ohne zu zögern sprang Gitarrist Matt Dawson in die Bresche, um bereitwillig über seinen Bandkopf Auskunft zu geben und sich zudem noch als verdammt sympathischer Kerl zu erweisen.

Okay, zuerst einmal muss ich sagen, dass meine Fragen eigentlich hauptsächlich auf Kevin (Sänger) zugeschnitten waren. Daher könnte es etwas chaotisch werden...

Matt Dawson: Oh, das macht nichts. Er ist wie ein älterer Bruder für mich und möglicherweise kenne ich ihn besser, als er selbst. Also frag ruhig, was du von ihm wissen wolltest.

Gut. Das neue Album nahm er ja zu gut 90% alleine auf und zwar in Norwegen. Warum das und warum gerade Norwegen?

Matt: Norwegen deshalb, weil seine Frau dorthin gezogen ist und sie schwanger war. Ich glaube das Album entstand in dem Zeitraum kurz vor der Geburt seiner Tochter bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie dann schon ein halbes Jahr alt war. Das ging alles rasend schnell und war eine nicht gerade einfache Zeit für Kevin. Seine Frau war ja vorher Bassistin der Band und fand dann während der letzten Tour heraus, dass sie schwanger ist. Sie stieg deshalb aus der Band aus und entschied sich, zu Hause zu bleiben. Kevin hingegen musste sich entscheiden, ob er nun die gut laufende Tour abblasen soll oder ob er weitermacht. Das hat sehr an ihm gezehrt und schließlich entschied er sich für die Tour, welche dann auch unseren Durchbruch bedeutete. Deshalb wollte er danach natürlich sofort bei seiner Frau sein und ging nach dem Ende der Tour nach Norwegen.

War es nicht etwas unangenehm für euch andere Bandmitglieder, dass Kevin quasi einen kompletten Alleingang hingelegt und ihr gar nicht viel zum Entstehungsprozess des Albums beitragen konntet?

Matt: Also es war definitiv hart. Ich hab zwar auch andere Projekte, die mich beschäftigen und Jamie (Schlagzeuger) ebenfalls, aber Of Montreal wurde einfach so groß, dass wir diese Projekte vernachlässigen mussten. Wenn wir dann mal auf Heimaturlaub waren, musste ich mich ausruhen, um zu regenerieren. Dadurch ist meine andere Band eigentlich komplett aufs Abstellgleis geraten und dementsprechend auch nicht erfolgreicher geworden. Als dann Kevin plötzlich alles ganz alleine gemacht hat, stand ich ganz schön doof da, weil wir ja nicht mehr ab und zu irgendwo aufgetreten sind und ich somit auch kein Geld bekam.

Also irgendwie komm ich damit nicht klar, wie ein einziger Mensch so viele Ideen haben kann und die dann auch noch in einem Song unterkriegt...

Matt: Darüber staune ich auch jedes Mal. Ich meine, ich spiele ja auch Bass, Gitarre und Schlagzeug und könnte demnach auch eine ganze Band alleine geben, aber mir fehlt dieses Ausnahmetalent, welches man für das gewisse Etwas braucht. Der Witz ist ja zudem, dass die meisten Songs auf dem Album direkt eingespielt wurden. D.h. es existieren eigentlich keinerlei Demos davon.

Wie bitte?

Matt: Ja, das mussten wir so machen, weil Kevin nicht mehr aufhört an einem Song herumzuwerkeln, wenn er erstmal damit angefangen hat. Das war eigentlich die Hauptaufgabe der restlichen Bandmitglieder beim neuen Album: Kevin in die richtigen Bahnen lenken.

Wo bekommt er denn die ganzen Ideen her?

Matt: Er ist einfach ein Workaholic. Ich hab noch nie erlebt, dass ihm die Ideen ausgegangen sind. Ich glaube, das geht alles auf seine Kindheit zurück. Als er klein war, hatte er nie richtige Freunde, mit denen er was unternahm oder so. Er lebte auch in einem totalen Kaff, in dem rein gar nichts los war. So entwickelte sich irgendwie seine eigene kreative Welt, in der er bis heute lebt.

Ein Freund von mir meinte mal, wenn Of Montreal zusammen mit den Flaming Lips Musik machen würden, dann würde unser Gehirn explodieren...

Matt (lacht): Wow! Wir sollten dringend mit Wayne Coyne (Flaming Lips Frontmann) Musik machen!!! Ich hab ja sieben Jahre lang in einer Band namens Elf Power gespielt, und wir hatten eine Zeit lang das gleiche Aufnahmestudio wie die Flaming Lips. Wayne meinte irgendwann mal beiläufig: "Ihr könnt unser Zeug jederzeit anhören, aber ihr könnt uns nicht kopieren!". Ich dachte nur: "Natürlich können wir euch nicht kopieren! Ihr seid die fuckin´ Flaming Lips!".

Was ist eigentlich der Grund für eure doch recht bizarren Songtitel?

Matt: Ich denke der Grund dafür ist, dass sie meistens aus Insidern bestehen, die für den Außenstehenden natürlich nicht nachvollziehbar sind. Kevin macht sich einen Spaß daraus, die Leute durch die Titel zu verwirren, zumal es in den Texten dann oft um ganz andere Dinge geht. Nimm "Heimdelsgate Like A Promethean Curse". Heimdelsgate ist einfach ein Straßenname in Norwegen. Wer würde denn auf diesen absurden Scheiß kommen?

Eure Bühnenpräsenz ist sehr ausgefallen und anders, um es mal vorsichtig zu sagen... Ist es euch wichtig, auf der Bühne aufzufallen?

Matt: Es ist doch so: Da draußen gibt es Millionen Bands, die einfach hinter ihren Instrumenten sitzen und sich nicht weiter regen. Wo ist da der Spaß für das Publikum frage ich mich? Da kann man genauso gut zu Hause bleiben und die CD anhören, schließlich sind das auch nur ganz normale Menschen auf der Bühne und keine Halbgötter. Deswegen bieten wir halt noch zusätzlich auch was fürs Auge. Die Leute sollen sich amüsieren und vielleicht zu ähnlichen Freaks werden wie wir. Das wäre doch toll! Alle laufen auf einmal geschminkt und mit Federboas rum. Die Welt wäre um einiges lockerer!

Wie sehen eure Pläne nach der Tour aus?

Matt: Kevin hat schon angekündigt, dass er das nächste Mal mit der gesamten Band aufnehmen will, damit er sich wieder mehr der Band zugehörig fühlt. Das finde ich gut so, denn es muss wieder eine stärkere Bindung hergestellt werden. Er hat auch schon einige Songideen am Start, die wieder total ausgeflippt sind. Vielleicht kann man sich schon einmal ein wenig auf sehr lange Songs auf dem nächsten Album einstellen. Aber mal sehen, was das alles wird. Vielleicht treten wir das nächste Mal auch alle in Grufti Klamotten auf. Wer weiß das schon genau?

Benjamin Köhler

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