Interview

I Am Kloot


I Am Kloot haben soeben bei über 40°C und knallender Sonne ein fantastisches Konzert auf dem Phono Pop Festival gespielt. Dementsprechend platt sind Drummer Andy Hargreaves und Bassist Pete Jobson auch und dann sollen sie noch ein Interview geben? Kein Problem für die Beiden, denn sie sind voller Tatendrang, schließlich soll mit „Sky At Night“ endlich der große Durchbruch gelingen.

Ich finde, „Sky At Night“ ist ruhiger und entspannter als eure letzte Platte. War es wichtig für euch, wieder von diesem raueren Sound auf „Play Moolah Rouge“ zurückzukehren?

Andy Hargreaves: Ja, auf jeden Fall. Der erste Song, den John (Bramwell – Sänger) für das neue Album geschrieben hatte war „To The Brink“. Ein sehr ruhiges und melancholisches Stück. Von da an war es uns wichtig, das Ganze in etwas Ruhigeres zu verwandeln. Es hat sich einfach richtig angefühlt.

Pete Jobson: Ganz genau. Wir wussten von diesem ersten Song an, wie das Album klingen sollte und auch wie wir es nennen würden. Wir haben zwar ein paar Songs aufgenommen, die etwas rockiger sind, aber sie passten schon allein vom Sound her nicht auf „Sky At Night“. Vielleicht verwenden wir diese für das nächste Album, welches dann möglicherweise auch wieder etwas mehr nach vorne geht.

Statt Rock habt ihr dem Album eine gehörige Portion Orchester verpasst. War das ebenfalls euer Anliegen? Das Album pompöser zu gestalten und eurer Musik dadurch vielleicht eine neue Richtung zu geben?

Andy: Unsere Songs haben dieses mal förmlich danach geschrien, mit aufwendigen Orchester-Arrangements angereichert zu werden. Es war gar nicht mal so, dass wir das absichtlich so gemacht hätten, um unserer Musik einen neuen Anstrich zu geben. Es schien uns einfach angemessen. Mit Guy Garvey (Sänger von Elbow) hatten wir ja auch einen Mann als Produzenten, der sich mit Streichern und Orchester bestens auskennt.

Pete: Als wir dabei waren, die Songs aufzunehmen, hat Guy uns erstmals so richtig die Augen geöffnet, was man mit Streichern, Bläsern etcetera so alles machen kann. Wie man Songs dadurch noch mehr mit Leben füllt. Er war so etwas wie der Stein des Anstoßes. Danach war uns das dann auch sonnenklar und wir konnten uns die Songs gar nicht mehr anders vorstellen als mit diesen ganzen Arrangements.

Guy Garvey hat ja zum ersten mal seit eurem Debüt wieder ein Album von euch produziert. Welche Gründe führten denn dazu, ihn genau jetzt wieder als Produzent einzusetzen?

Andy: Dass Guy ein großartiger Kerl und auch Produzent ist, wussten wir ja schon vorher. Nach den ganzen letzten Alben mit anderen Produzenten wurde uns aber auf einmal klar, dass niemand, und ich meine wirklich NIEMAND, I Am Kloot besser kennt, als Guy Garvey. Der Mann ist nicht nur ein Freund, sondern eigentlich so etwas wie das vierte Bandmitglied. Als uns das richtig bewusst wurde, gab es eigentlich gar keine andere Wahl, als Guy wieder zurück ins Boot zu holen.

Pete: Man muss auch dazu sagen, dass wir wirklich absolut kein Geld mehr hatten und Guy uns seinen Produzentenjob ohne jegliche Bezahlung angeboten hatte.

Andy: Naja, wenn sich das Album gut verkauft, wird er schon noch sein Geld sehen. (lacht)

Pete: Er war aber auch dankbar, mal ein paar Tage aus dem Studio rauszukommen, denn zu der Zeit hatte er gerade mit Elbow die Arbeiten an einem neuen Album begonnen und dort lief es offenbar gerade nicht so gut.

Das ist lustig, dass du das sagst, denn ich habe in einem Interview mit Guy gelesen, dass er die Arbeit mit euch als wesentlich befriedigender empfunden hat als die mit Elbow, weil die Distanz zu eurem Material größer gewesen sei. Könnt ihr das nachvollziehen?

Pete: Oh Gott, das kann ich so was von nachvollziehen! Wenn wir den Produzentenjob bei uns selbst ausüben würden, wie Guy das bei Elbow ja macht, dann würden wir uns gegenseitig erschießen. (lacht) Für unsere Band ist es absolut notwendig, dass eine außenstehende Person diesen Part übernimmt.

Andy: Ohja! Bei uns würde das schnell in übler Zankerei enden.

Pete: Es ist auch deswegen wichtig, dass jemand anderes produziert, weil man meiner Meinung nach als Band einfach sehr davon profitiert. Da kommt eine Person ins Studio rein und die beeinflusst dich mehr als so ziemlich alles in den vorangegangen Wochen und Monaten davor. Wenn die Chemie passt, kannst du dadurch unglaublich viel Qualität als Band dazu gewinnen. Und wenn das dann auch noch ein Freund ist, der deine Musik kennt und dich deswegen auch in die richtige Richtung lenkt, dann ist das ein perfektes Szenario. Genau das war bei uns bei „Sky At Night“ der Fall.

Wird Guy denn euer nächstes Album auch produzieren?

Pete: Ich würde es verdammt noch mal begrüßen.

Andy: Ich auch. Aber 100%ig davon ausgehen kann man jetzt noch nicht.

Ihr habt den Song „Proof“ von eurem zweiten Album noch einmal für „Sky At Night“ aufgenommen. Was war der Grund dafür?

Andy: Der Grund, warum wir den Song noch einmal neu aufgenommen haben, war der, dass wir uns mit dem Album versprechen, ein weitaus größeres Publikum zu erreichen, als das vorher der Fall war. Einige unserer früheren Alben kamen ja zum Beispiel in bestimmten Ländern nie raus, darunter auch das selbstbetitelte. Das heißt, viele Fans, die uns live gesehen haben, kennen zwar den Song „Proof“ fast auswendig, weil wir den fast immer spielen und der mehr als jeder andere Song Teil von uns ist, sie konnten ihn aber bisher nicht käuflich erwerben. Deswegen wollten wir „Proof“ unbedingt auf dem neuem Album drauf haben.

Pete: Außerdem passt der Song einfach wunderbar in „Sky At Night“ rein. Von der Atmosphäre her, aber auch gerade textlich. Vielleicht ist er hier sogar besser platziert als das auf dem Selbstbetitelten der Fall war. Ich muss aber auch noch mal auf das zurückkommen, was Andy gesagt hat. Wir hoffen wirklich, mit der Platte ein wesentlich größeres Publikum zu erreichen, als das bisher der Fall war. Falsche Plattenfirmen und diverse Fehlkalkulationen haben uns bisher einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das soll jetzt anders werden.

Hört sich so an, als habt ihr es satt, über die Jahre hinweg immer wieder andere Bands aus Manchester auf dem Weg zum Erfolg zu beobachten, während ihr zwar eine gute Fanbase habt, aber es mit dem Durchbruch nicht so recht klappen wollte.

Andy: Ja, das können wir, denke ich, nicht leugnen. Weißt du, ich mag es ja, dass wir eher die Band des einfachen Mannes sind. Das sind eingefleischte Fans, die einen nicht im Stich lassen. Andere Bands haben solche Fans nicht. Andererseits empfinde ich es schon als ein wenig ungerecht, dass wir hundert mal mehr Konzerte als andere Bands gespielt haben und diese trotzdem um ein Vielfaches erfolgreicher sind als wir. Und dabei machen die Meisten noch nicht einmal großartig andere Musik!

Pete: Für mich ist das eine zweiseitige Geschichte. Klar sind wir manchmal ein wenig eifersüchtig auf andere Bands. Wenn ich sehe, was die leisten und was wir schon geleistet haben...Da kann ich manchmal nur mit dem Kopf schütteln. Es ist aber auch so, dass diese erfolgreichen Bands auch nicht das Privileg haben, so viel rumzureisen wie wir. Ganz einfach aus dem Grund, weil sie es nicht müssen! Statt immer nur London, Paris und Berlin sehen wir eben auch andere Städte und die sind meistens sogar viel schöner als diese Metropolen. Über diese Erfahrungen bin ich froh und ich würde sie auch ungern eintauschen.

Apropos Erfahrungen. I Am Kloot gibt es jetzt schon seit ziemlich genau zehn Jahren. Rekapituliert ihr manchmal diese vergangene Dekade und welche Gedanken kommen dann bei euch auf?

Andy: Ich denk mir immer: Fuck, uns gibt es tatsächlich immer noch! (lacht)

Pete: Ich hab neulich mal wieder ein Video aus unseren Anfangstagen gesehen. Es ist erschreckend, was sich seitdem alles verändert hat. Als wären wir drei völlig andere Menschen geworden. Gleichzeitig ist es aber witzigerweise so, dass sich bestimmte Dinge nie geändert haben und dann weißt du auch: das sind immer noch wir. Zehn Jahre rum, aber das sind immer noch wir. Ich finde das sehr beruhigend, denn es zeigt mir: egal, wie sehr wir drei uns auch verändern, irgendwo bleiben wir immer die drei gleichen Freunde wie zu Beginn unserer Karriere.

Andy: Das hast du schön gesagt. Mir kommen gleich die Tränen. (lacht)

Gibt es irgendwas, was ihr aus heutiger Sicht anders gemacht hättet?

Andy: Auf jeden Fall hätten wir uns einen anderen Bandnamen ausgesucht! (lacht laut) Ganz ehrlich, er ist jetzt zwar der, der er ist, aber heute würden wir uns sicher nicht noch mal so nennen.

Pete: Damals haben die Bands gerade wieder begonnen, sich alle The Irgendwas zu nennen. Darauf hatten wir keine Lust und dachten uns, wir nennen uns einfach mal I Am... und dann plus Kloot. So was Ähnliches gab es damals noch nicht. Es war halt so eine Art Verweigerungshaltung. Heute sind wir für den Scheiß viel zu alt und würden natürlich einen Bandnamen aussuchen, der uns in erster Linie gefällt und keinen, der uns unbedingt von anderen Bands unterscheiden muss. Allerdings muss ich zugeben, dass mir gerade auch kein neuer Bandname für uns einfällt. Dir, Andy?

Andy: Ähm...nein. (lacht)

Vielleicht fällt es euch leichter, euch an euren denkwürdigsten Moment mit I Am Kloot zu erinnern?

Andy: Da gibt es zwei. Einmal unseren Auftritt beim Glastonbury Festival. Das war einfach fantastisch und ein bisschen wurde da ein Traum für mich wahr. Und dann noch unser Gig letztes Jahr kurz vor Weihnachten in Blackpool. Wir hatten das ganze Jahr wie die Besessenen gearbeitet und das Konzert fühlte sich an wie der Abschluss dieser Schufterei.

Pete: Für mich sind es einfach die vielen Momente zusammengenommen, in denen ich nette neue Leute kennen gelernt habe und daraus Freundschaften entstanden sind.

Gibt es noch irgendwelche Ziele, die ihr mit I Am Kloot zwingend erreichen wollt?

Andy: Als Band überleben. (lacht)

Pete: Um ehrlich zu sein, haben wir keine Ziele mehr. Unser Ziel war es zu Beginn, mit der Band Musik zu machen und einigermaßen davon leben zu können. Das haben wir erreicht. Jetzt geht es nur noch darum, das Ganze möglichst lange am Laufen zu halten.

Photo: Pressefreigabe

Benjamin Köhler

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