Interview

Future Islands


Seit einem ziemlich unterschätzten Vorgängeralbum sehnsüchtig erwartet: Das bald erscheinende neue Album von Future Islands (Rezension folgt in Kürze)! Wir hatten die Ehre, mit den sehr symphatischen Herren zu sprechen und erfuhren dabei viel über das neue Album, über Genres, über Brian Eno und eine vorbildliche Einstellung zum eigenen Beruf.

Oft werdet ihr als die Pioniere des sogenannten Post-Wave betitelt. Was bedeuten Euch denn diese ganzen Genres und Schubladen, mit denen Musik gemeinhin kategorisiert wird, und wie kam es speziell in Eurem Fall eigentlich zur Bezeichnung "Post-Wave"?

William: Hm, eigentlich kam diese ganze "Post Wave"-Sache schon während der College-Zeit auf...

Sam: Naja, ehrlich gesagt haben wir uns selbst immer als "Post Wave"-Act ankündigen lassen. (lacht)

William: Wir nannten unsere Musik Post-Wave und haben so versucht uns selbst zu unterstützen... (lacht, sichtlich peinlich berührt) Also konnte man überall auf Flyern und solchem Kram von uns Sätze lesen wie: "Kommt und seht die Pioniere des Post-Wave: Future Islands!" Irgendwie blieb das Ganze hängen als wir ähnliche Sätze anfänglichen Releases beigefügt haben. Nun scheint dieses Postulat uns auf alle Zeit angeheftet zu werden. Vielleicht denken die Leute später ja wirklich einmal, wir wären die Pioniere des Post-Wave...

Sam: Sind wir doch sowieso! Der Witz bei der ganzen Sache bzw das Erfinden eines solchen Terminus war glaube ich der, wie Menschen verschiedene Genres bündeln und zusammenfassen. Manchmal findet man Dinge nunmal schlecht und steckt sie in eine Art Box, sagen wir mal je nachdem, wie etwas klingt oder wie auch immer. Ich meine, natürlich war es in erster Linie ein dummer Witz. Auf der anderen Seite hat es uns schon dabei geholfen, uns von anderen Genre-Begriffen abzuheben. Es gab im Nachhinein nichts besseres, um auszudrücken, dass wir nicht wirklich zu so etwas wie Rock n' Roll, Punk oder so passen. Wir verfolgen zwar eine gewisse Punk-Ästhetik, aber wir machen deswegen sicherlich keinen Punk. Aber es ist schon lustig, wie die Bezeichnungen in unserem Fall damals zwischen Post-Punk und New Wave pendelten. In gewisser Weise stimmten die ja auch (lacht, richtet sich an die anderen beiden). Wie war er doch gleich? Wie ging dieser alte Spruch?

William: "Too noisy for New Wave, too pussy for Post Punk!" (lacht)

Sam: Wären wir nur besser beim Post-Punk geblieben! (lacht)

Oh mein Gott! Wer von Euch ist nun eher Noise und wer ist die Pussy? Und wie konntet ihr Euch dann bitte auf eine bestimmte bzw eure "neue" Musikrichtung einigen?

Sam: Ja, das ist schon ein Problem. Eigentlich hören wir wirklich komplett unterschiedliche Musik.

William: Also einen kleinsten gemeinsamen Nenner gibt es schon. Aber wirklich einig sind wir uns nur bei The Cure, The Misfits und Aphex Twin.

Sam: Ja, das waren jetzt die ganz Großen. Aber zumindest ich für meinen Teil höre echt viel Kram, der mit unserer eigenen Musik herzlich wenig zu tun hat. Zurzeit beispielsweise viel Jazz und Hip-Hop.

William: Wir sind auch stark beeinflusst von Stand-Up-Comedy. Auch wir als Band machen auf eine Art Stand-Up-Comedy. Vor allem in unserem Van, aber auch in unserer Musik.

Wie soll man das denn bitte verstehen?

William: Ok, auf der Bühne hört man diesen Einfluss wahrscheinlich nur zwischen den Zeilen raus oder aber, wenn ich mich verspiele. Auf dieser Tour haben wir übrigens das erste Mal Requisiten auf der Bühne eingesetzt. Sorry, der war schlecht. Es ist das Bier...

Passt schon. Bei mir war es gestern immerhin auch zu viel Wein.

William: Upps!

Lass uns lieber über euer bald erscheinendes, heiß erwartetes Album "On The Water" sprechen! Das soll bzw wird ja diesen Oktober schon erscheinen. Was wird anders sein als auf "In Evening Air"?

Sam: Ich weiß nicht, aber ich glaube, wir sind definitiv eine softere Richtung mit diesem Album gegangen. Das hatte keinen Selbstzweck oder so, sondern das war einfach die Richtung, in die es nach "In Evening Air" ging. Dann kam die "In The Fall"-EP und schon während den Aufnahmen für diese Songs hat im Prinzip der Prozess für "On The Water" begonnen, indem wir die Temporegler etwas runter drehten. Ich fand das auch keine schlechte Sache, einfach diese Basis zu finden und nicht verkrampft irgendwas anderes zu versuchen. Ich denke, als Band ist es wichtig, einfach kontinuierlich einen Schritt vorwärts zu machen. Die eine Sache ist die, dass wir hübsche Songs schreiben möchten und hübsche Songs sind es aus unserer Sicht geworden. Wir wollten die einfach rausbringen, ob sie die Leute nun mögen oder nicht. Es ist kein "Tanz"-Album geworden, was aber auch nicht schlimm ist. Das einzige, was wir versuchen zu tun, ist, ein gutes Album zu schaffen. Ansonsten? Wirklich große Veränderung gab es eigentlich keine. Wir gehen einfach immer weiter unseren Weg mit dem, was wir tun, mit Field Recordings und der Art, wie wir versuchen, den Raum in unserer Musik zu füllen und zu nutzen. Ich fühle einfach, dass dieses Album besser klingt. Wir haben mit demselben Equipment gearbeitet, mit demselben Produzenten und nahmen es dann in einem Haus auf, da wir nicht in einem Studio Aufnahmen machen wollten. Also, unser Wachstum als Band ist auch das Wachstum unserer "handwerklichen" Fähigkeiten, die man in den neuen Songs hören kann. Ich bin wirklich selbst überrascht, wenn ich mir "In Evening Air" jetzt anhöre, dann "On The Water" und merke, wie sehr unser Level des Produzierens gestiegen ist. Es klingt einfach viel voller und "reichhaltiger".

Klingt definitiv gut und vielversprechend. Trotzdem frage ich mich manchmal, wie ihr es bei euren ganzen Touren und Konzerten schafft, so produktiv zu blieben. Ich meine, wenn ich mich recht entsinne, habt ihr allein im vergangenen Jahr ein Album und drei oder vier EPs veröffentlicht. Ziemlich viel, oder?

William: Drei waren es, glaube ich. Touren und Songs schreiben lässt sich in unserem Fall gut verbinden. Allzu viel Equipment schleppen wir eh nicht mit uns rum. Von daher geht das eigentlich ganz gut.

Und jetzt habt ihr vor kurzem eine Single zu "Before The Bridge" veröffentlicht. Ist die sowas wie ein Pre-Release zu "On The Water"?

Sam: Schon ja. Der Titel wird aber auch auf dem neuem Album zu finden sein. Wird glaub ich der zweite Track sein.

Ach ok, wusste ich nicht.

Sam: Ich bin wirklich aufgeregt, wenn du es dann hören wirst. Ganz ehrlich!

Stimmt es eigentlich wirklich, dass Brian Eno großen Einfluss auf das neue Album hatte? Euer Label Thrill Jockey hat das zumindest geschrieben. Interessant fand ich das allemal, da er ja überwiegend Platten von anderen Künstlern produziert hat.

William: Da gibt es doch diese 33 1/3-Serie, diese kleinen Büchlein bzw Paperbacks über Alben. Auf jeden Fall hab ich Anfang des Jahres ein solches Buch von einer Greeta Dayal gelesen über "Another Green World". Danach gab ich es Sam, der es auch gelesen hat. Gerade im Hinblick auf das Recording fanden wir beide es sehr interessant, da es eines der ersten Alben war, welches komplett in einem Studio geschrieben wurde, und er benutzte dazu verschiedene Wege, um auf den Punkt zum kommen. Es ging einfach nur darum, anders zu denken und anders Platten aufzunehmen. Es war also einfach nur der Ansatz, der für uns zählte.

Ihr nutzt aber trotzdem keine Karten oder eine "Oblique Strategy", um Ideen für Songs zu finden?

Sam: Nein. (lacht)

Als ich von der Geschichte hörte, musste ich sofort daran denken, dass Eno ja viel mit Klängen und Sounds experimentiert hat. Bei Euch hingegen habe ich häufig den Eindruck, dass eure Musik möglichst organisch und natürlich sein soll.

Sam: Ja, auf jeden Fall. Das hoffe ich zumindest. Bei Eno mag ich vor allem die Ambient-Sachen wie "Music For Airports". Auch wenn ich bei weitem nicht mit allen Sachen bis ins letzte Detail vertraut bin, finde ich, dass viele seiner Sachen unglaublich organisch klingen. Und das ist wohl der Punkt, der wirklich Einfluss auf uns ausgeübt hat. Eno nicht als Musiker, sondern eher als Produzent.

William: Er versucht ja auch, organische Sounds mit künstlichen oder elektronischen Instrumenten zu schaffen und das ist in jedem Fall eine Sache, die wir auch verfolgen. Zum Glück haben wir ja aber auch einen Produzent.

Das klingt jetzt vielleicht vollends abgedroschen, aber bei Euch gibt es viele Songs, die Natur im weitesten Sinne thematisieren und idealisieren. Gerade du, Sam, legst ja häufig derart viel Leidenschaft in Gesang und in die Auftritte, singst vom Unbewussten, dass ich mich wirklich schon gefragt hab, ob ihr einen besonderen Bezug zur Romantik habt.

Sam: (todernst) Ich will romantisch sein!

Während eures Kunststudiums hattet ihr ja sicherlich mit solchen Dingen zu tun? (Anm: Sam und William studierten gemeinsam Kunst. Sam hat allerdings abgebrochen)

Sam: Ich meine, Lyrics und Writing haben für meine Begriffe viel mit Poesie zu tun. Beispielsweise ist auch der Albumtitel "In Evening Air" der Titel eines Theodor-Roethke-Gedichtes. Ich glaube, der Vater von Roethke war nicht unbedingt Florist, aber er hatte ein großes Gewächshaus und Theodor hing als Kind immer dort ab und studierte die Pflanzen, was dann einen wichtigen Part in seiner Poesie spielte. Zuerst liebte ich einfach nur die Sprache und dachte schließlich über die Art nach – genau wie du das jetzt sagst –, wie man über Natur reden kann. Jemand anderes hat uns neulich auch gefragt, ob Elemente eine große Bedeutung für uns seien, und bisher hab ich mir darüber noch nicht so richtig Gedanken gemacht, aber wenn Roethke die Natur beschreibt, dann immer im Zusammenhang mit existenziellen und menschlichen Erfahrungen. Uns geht es in den Songs auch eher darum, wie man sich selbst durch die Natur wahrnimmt.

Hochphilosophisch! Und der Klimawandel? Der Bandname Future Islands klingt ja schon wie das Mahnmal einer recht üblen Zukunft?

William: Hoffen wir nicht! (lacht)

Und wie wird es mit Future Islands in Zukunft weitergehen? Habt ihr jemals daran gedacht, nach diesem ganzen Touren eine Pause einzulegen?

Sam: Ja, schon...

Weil ihr ja wirklich den Eindruck macht, ständig 100% geben zu müssen.

William: Es geht schon. Du kannst nicht in einer Band sein, wenn du nicht auch tourst und Demos und so Zeug unter die Leute bringst. Es gibt da draußen wirklich so viele Leute, die gerne dasselbe tun möchten und irgendwie ist es wie in jedem anderen Job auch: Du musst für alles hart arbeiten und wir werden sehen, wohin uns das bringen wird. Wenn wir von einer Tour kommen, dann hängst du erst einmal zwei Tage nur zu Hause rum und spätestens nach einer Woche denke ich dann schon: "Komm, Komm, pack deine Sachen, lass uns das machen". Ich denke, das geht in beide Richtungen. Wenn du auf Tour bist, willst du zu Hause ein, wenn du zu Hause bist, willst du auf Tour sein.

(Das dritte Bandmitglied, Gerrit, saß während des gesamten Interviews da und sagte kein Wort. Erst ein späterer Angriff auf die Ästhetik der eigenen Musik-Videos erregten sein Gemüt.)

Achim Schlachter

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