Interview
Anna Von Hausswolff
Anna, deine beiden Alben "Singing From The Grave" und "Ceremony" (schon 2009 aufgenommen) wurden fast zeitgleich in Deutschland veröffentlicht. Würdest du zustimmen, dass manche Hörer wohl ziemlich erstaunt waren, dass beide Platten von der gleichen Künstlerin stammen?
Anna von Hausswolff: Ja, das könnte ich total verstehen. Ich bin nicht mehr die gleiche Musikerin, die ich vor einigen Jahren war. Meine Technik und mein Geschmack haben sich seit 2009 enorm gewandelt.
Kannst du ein wenig deinen Songwriting-Fortschritt seit dem Beginn der Aufnahmen zu "Singing Form The Grave" bis heute beschreiben?
Anna: Zu der Zeit von "Singing From The Grave" hatte ich keinerlei Erwartungen an mich selbst, noch war ich an Live-Shows gewöhnt. Daher lief alles vollkommen chaotisch. Ich musste meine Grenzen austesten und ich fühlte mich, als würde ich die ganze Zeit auf einem schmalen Grat wandeln. Die Songs wurden im Zeitraum von 2004 bis 2009 geschrieben. Man kann also sagen, dass sie meinen Songwriter-Werdegang vom Kind zum Erwachsenen repräsentieren. Als das Album dann veröffentlicht wurde, begann ich, eine Menge Konzerte zu geben, und je häufiger ich die Songs spielte, desto mehr langweilten sie mich. Es kam mir vor, als wäre ich in einer kleinen Kiste gefangen. Für mich war klar: so kann es nicht ewig weitergehen und ich nahm eine längere Auszeit. Mein Umfeld änderte sich, ich lernte ein paar neue Menschen kennen, entdeckte neue Inspirationsquellen und startete von Grund auf neu. Ich habe sogar neu singen gelernt. Der Gesangs-Unterricht hat mir geholfen, meine Stimme zu kräftigen und Technik und Stimmkontrolle zu verbessern. Aber ich denke, die Art und Weise, wie ich Musik mache, ist die gleiche geblieben. Es beginnt immer mit einem Impuls, aus einem Instinkt heraus. Und von dort an geht es weiter. Der größte Unterschied zu früher ist der, dass ich gelernt habe, mit anderen Leuten zusammen zu arbeiten. Jetzt weiß ich, wie die Dynamiken in einer Band verlaufen, was ich einem Produzenten sagen muss und ich traue mich zu experimentieren. Ich weiß, was ich will und habe keine Angst davor, es auszuprobieren. Ich habe mich als Mensch geändert und das hat sich auf meine Musik übertragen.
Gibt es einen besonderen Ort, an dem du deine Songs schreibst? Brauchst du eine bestimmte Atmosphäre, um kreativ zu sein?
Anna: Ich schreibe meine Musik bei mir zuhause. Dort habe ich alle meine Inspirationsquellen wie Bücher, Filme, Essen, Musik an einem Ort.
"Ceremony" ist ein Album mit vielen Drone-Referenzen. Ein Genre, das alles andere als easy listening ist und viel Aufmerksamkeit verlangt. Was fasziniert dich so an Drone?
Anna: Der außergewöhnliche Umgang mit Raum und Zeit. Lange Intervalle und ausgedehnte Akkorde bringen dich dazu, auf die Details zu achten. Wenn du in der Lage bist, diese Details und die kleinen Veränderungen zu würdigen, dann eröffnet dir die Musik eine vollkommen neue Welt an Rhythmen, Melodien und Harmonien. Nicht sofort und nicht offensichtlich, aber wenn du zuhörst – und ich meine wirklich zuhörst – dann offenbaren sich diese besonderen Momente.
Das Leben und der Tod – dies sind die zwei großen Themen in deinen Songtexten. Fällt es dir leichter, dich durch deine Musik mit Leben und Tod auseinanderzusetzen?
Anna: Würde ich nicht sagen. Auf irgendeine Art und Weise setze ich mich jeden Tag mit Existenzfragen auseinander. Die Musik ist dabei nur ein Weg, meine Befürchtungen und Anliegen zu teilen.
Wie setzt du den Sound von "Ceremony" live um? Ich denke nicht, dass du eine Orgel in deinem Tourbus versteckt hast.
Anna: Es geht weniger um die Umsetzung, als vielmehr darum, die Emotionen auch live rüberzubringen. Der Auslöser dafür befindet sich in mir, die Emotionen selbst werden nur von der Aufnahme auf Platte festgehalten. Live muss ich also nur diesen Auslöser aktivieren und alles wird gut.
Deine Schwester Maria hat die Musikvideos zu Songs wie "Deathbed" und "Epitaph Of Daniel" gedreht. Tauscht ihr euch da im Vorfeld aus, was die Ideen angeht?
Anna: Nein, das liegt alles in ihren Händen. Wir sind Schwestern und sind auf einer Wellenlänge und dennoch haben wir unterschiedliche Wege uns auszudrücken. Ich eher mit Musik, sie durch Bilder und Videos. Sie bezieht mich zwar trotzdem immer wieder mit ein, indem sie mir Collagen zeigt, aber ich finde alles, was sie macht, immer passend zu meiner Musik.
Rufen deine Songs bei dir neue oder andere Gefühle hervor, wenn du sie untermalt durch ein Video hörst?
Anna: Die Videos geben den Songs noch mehr Tiefe und verleihen ihnen neue Emotionen, was ich sehr mag. Marias Interpretation der Songs ähnelt der meinigen sehr, aber betrachtet aus einem anderen Blickwinkel, und das ist es, was die Visualisierung so interessant macht.
Man könnte manchen Journalisten Faulheit vorwerfen, wenn sie dich mit Musikerinnen wie Kate Bush oder Joanna Newsom vergleichen. Nervt es dich manchmal, mit anderen Künstlerinnen verglichen zu werden, auch wenn sich deine Musik doch eigentlich hörbar von ihnen unterscheidet?
Anna: Ich habe gelernt, damit zu leben. Mit dem Joanna-Newsom-Vergleich komme ich gut zurecht, weil ich ihr Album "Have One On Me" sehr oft gehört habe und es ein Meisterwerk ist. Kate Bush ist da für mich schon schwieriger. Aber verschiedene Leute haben nun mal verschiedene Referenzen und die meiste Zeit nehm ich es einfach als Kompliment. Auch, wenn ich manchmal nicht weiß, woher die Vergleiche ihren Ursprung haben oder ich sie nicht nachvollziehen kann.
Was steht bei dir nun als nächstes an, wenn du deine Tour im November beendet hast? Arbeitest du schon an neuem Material?
Anna: 80% des neuen Albums befindet sich schon in meinem Kopf und ich kann dir sagen, dass ich jetzt schon aufgeregt bin und es nicht erwarten kann, dir und allen anderen die neuen Songs zu präsentieren!
Lesen
Rezension zu "Dead Magic" (2018)
Rezension zu "The Miraculous" (2015)
Rezension zu "Ceremony" (2013)
Rezension zu "Singing From The Grave" (2012)
Konzertbericht (2016)
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