Rezension

Virginia Jetzt!

Land Unter


Highlights: Weit Weg // Singen und Singen // Die Teile Deines Lebens
Genre: Pop
Sounds Like: Tele // Ben Folds // Space Kelly

VÖ: 19.01.2007

Die „Bitte Bleib Nicht, Wenn Du Gehst“-EP hatte es im Herbst schon vermuten lassen, … es gibt keinen ernstzunehmenden Grund, auf Virginia Jetzt! einzuschlagen. Soviel als Fazit vorne weg. Aber die Prophezeiung, sie könnten Deutschlands Keane werden, war ebensolcher Blödsinn. Nichtsdestotrotz präsentiert die Band in ihrer oberflächlichen Catchyness ein Album voll halbwegs anspruchsvoll unterhaltendem Pop für laue Sommernächte und kühle Wintertage.

Die Bestandteile dieses dritten Virginia Jetzt! Albums sind schnell aufgezeigt. Gutes Songwriting, gute Produktion und mehr oder weniger platte Texte, die im Großen und Ganzen um den Planeten Liebe kreisen, dabei versuchen, melancholischer, introvertierter, weniger kitschig zu klingen. Problem dabei ist nur: Da kündigt die Plattenfirma ein neues Debüt-Album an, meint, die Band erfände sich neu und schafft es so, die Kritiker besonders aufmerksam hinhören zu lassen, und alles gezwungen klingen zu lassen, was die vier Brandenburger hier sehr gut, gut oder zumindest halbwegs richtig machen.

Ja die vier Ben Folds-Fans strengen sich an, versuchen – mit Erfolg, und doch etwas verkrampft – die Leute für sich zu gewinnen, von denen sie gemocht werden wollen: Die coolen, tollen Indies, die Leute, die sich vom Durchschnitt abheben wollen, diejenigen, die meinen, dauerhafte Reflektion sei das, was man erreichen müsse. Cool, sich unterscheidend und mehr verstehend, als der Rest der großen Menge. Ebendieses Bestreben wird aber dann angegriffen in einem Song wie „Ich kann nicht wie die anderen“. Wo zu Beginn noch „Geiz ist Geil“ und das Narren-fischende Fernsehen kritisiert wird – dessen Bestandteil VJ! Ja selber sind oder waren –, heißt es später „ich kann nicht wie die andern immer lässig rumstehen / überall Idioten man muss sich einfach nur mal umsehn“. Überhaupt, strotzt das Album vor starken Formulierungen. Stark nicht im Sinne von tiefsinnig, sondern als jeden berührend, vielleicht nur oberflächlich, aber doch ansprechend. Es fordert heraus, nicht zu tief, und nicht zu sehr sich selbst, zu reflektieren.

Etwas mehr echte Tiefe hätte dennoch nicht geschadet, denn Zeilen wie „wir wolln mehr als das, viel mehr als irgendwas, viel mehr als alles das“ („Mehr Als Das“) und „Berlin ist vereint, jetzt will ich sehen, dass Deine Mauern fallen“ („Weit Weg“) sind schon reichlich platt, pathetisch…? Insbesondere gilt dies auch für die Meer-, See- und Landwortspiele, die nicht nur im Titel „Land Unter“ und gelegentlich, sondern an allen Ecken und Enden eingestreut werden. Doch in Verbindung mit der mitreißenden, intelligenten und ambitionierten Instrumentierung und Produktion ergibt sich ein Album, das keine wirklich schwachen, aber dafür einige starke Stücke enthält. „Weit Weg“, „Singen und Singen“, „Ich Kann Nicht Wie Die Anderen“ und selbst „Mehr Als Das“ laden zum Mitsingen ein, geben einem die Möglichkeit, sich für einen Moment im Alltag wohl zu fühlen, oder können einfach nur als ein winterlicher Lieblingssong Marke 2007 gelten. Und, „Die Teile Deines Lebens“ beweist, Thomas Dörschel kann neben Plattitüden auch wirklich intelligente Texte schreiben, was auch in „Zonenkind“ durchschiene, fragte man sich nicht die ganze Zeit, was uns dieser Text mehr als 15 Jahre nach Mauerfall sagen will.

Insgesamt ergibt sich so ein Album, auf das wir Mäkler uns erstmal einlassen müssen, aber es ist definitiv eine positive Überraschung im noch jungen Jahr. Und das ist doch schon mal viel.

Oliver Bothe

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