Rezension

Virginia Jetzt!

Bitte Bleib Nicht, Wenn Du Gehst


Highlights: Singen und Singen
Genre: Deutsch Pop
Sounds Like: Madsen // Tele // Tomte

VÖ: 25.08.2006

Virginia Jetzt! – die Band, die von ebenso vielen „Indies“ gehasst wie geliebt wird. Geliebt, weil sie in der Vergangenheit einfachen, vielleicht auch schönen Deutsch-Indie produziert hat. Gehasst, weil ihr letztes Album vielfach als Schlagerkitsch wahrgenommen wurde – und auch noch aus anderen Gründen, aber Dummheit soll hier nicht aufgewärmt werden. Der Mehrheit sind sie wohl egal, und auch der Rezensent würde gerne behaupten, ihn würde die Band nicht interessieren. Aber aus verquerer Faszination fand er vergangenen Kitsch durchaus hörenswert, und hofft im Gegensatz dazu, hier einen richtigen Verriss abliefern zu können. Zumindest aus letzterem wird nichts. Die „Bitte bleib nicht, wenn Du gehst“-EP ist nicht schlecht.

Unabhängig von der Qualität frage ich mich jedoch, was diese Veröffentlichung soll. So wird verbreitet, ein neues Album sei vollständig produziert, werde aber erst im Januar kommen. Soll die EP dann der Plattenfirma Aufschluss geben, ob sich ein Albumrelease überhaupt lohnt, oder will die Band ihre Live-Auftritte des Sommers noch mit einem kleinen Schmankerl für die Fans versüßen? Nehmen wir mal nur das Beste an! Wobei, wieso soll eine etwas umfangreichere Maxi-CD gleich eine EP sein? Vier Songs und ein „Softrock“-Remix?

Die Quantität stimmt also nicht wirklich, die Qualität ist jedoch…ganz OK. Dabei muss jedoch zwischen Text und Instrumentierung unterschieden werden. Auch nach dieser Single – äh EP – kann man der Band nicht vorwerfen, zu anspruchsvolle Texte zu schreiben. Musikalisch aber ist der Titelsong – der Videosong „Bitte bleib nicht,…“ – ein durchaus mitreißender Post-Tocotronic-Rocker, wie er seit nunmehr 10 Jahren immer mal wieder von der einen oder anderen Band präsentiert wird. Er übersteigt sogar das Niveau des Nett-Seins; insbesondere in den Momenten, in denen die Gitarre zu singen anfängt. Textlich jedoch ist es eine tragisch-romantische Schmonzette, die versucht, tiefgründig zu klingen, bei der mir aber schon der Titel ein Schaudern über den Rücken jagt. „Völlig plötzlich“ stößt in das gleiche Horn der neuen und der vergangenen Liebe, tut dies aber noch eine Ecke schmalziger, wozu die unterliegende Musik passt. Eine schöne Melodie, doch zu ohrwürmig, zu schlageresk – was übersetzt von der Beleidigung zum Kompliment würde –, ganz im Stile von „Ein ganzer Sommer“ und „Wahre Liebe“. Aber schlecht finden mag der Rezensent es dennoch nicht.

Und nun, ja nun, kommt der Teil der EP, der sogar begeistern kann. „Singen und Singen“ und in geringerem Maße auch „Jetzt oder nie“ sind musikalische Großleistungen. Das stumpf stampfende Schlagzeug und das hackende Stakkato des Klaviers in Verbindung mit den nur im Refrain gesungenen Vocals, die ansonsten eher gerufen daherkommen, ergeben ein wirklich fantastisches Stück Deutschpop, dem ich – als Song – deutlich mehr Erfolg gönne, als einem anderen des gleichen Genres namens „Du schreibst Geschichte“. Der Song reißt so mit, dass mir die Qualität des Textes – der immer noch versucht tiefgründig zu sein – reichlich egal ist. Wie auch in der ersten Hälfte der EP folgt erneut eine Ballade auf einen „Rocker“. „Jetzt oder nie“ versucht jedoch nicht, jedem – und damit auch HR4 und NDR1 Welle Nord – zu gefallen. Vielmehr ist es ein düster gebrochenes, mehr gehauchtes denn gesungenes Fragezeichen an das Leben. Auch hier fällt es schwer, es nicht als naiv und pseudo-intellektuell zu bezeichnen, aber irgendwie spricht der Text an.

Ein Fazit? Es gibt Hoffnung, sich auf das kommende Album freuen zu können, und: VJ! sind da am besten, wo das Klavier dominiert. Also: VJ!, die deutschen Keane? Nein sicher nicht, aber vielleicht später mal – und wenn nicht dann halt die Nachfolger von Pur.

Oliver Bothe

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