Rezension
Turbostaat
Stadt Der Angst
Highlights: Phobos Grunt // Tut Es Doch Weh // Sohnemann Heinz // Willenshalt
Genre: Punk
Sounds Like: EA80 // Dackelblut // Messer
VÖ: 05.04.2013
Manchmal kann man mit wenig Worten alles sagen. Manchmal kann man aber auch mit sehr wenig Worten eine ziemlich irreführende Wirkung erzielen. Wer beispielsweise die Husumer von Turbostaat auf ihrer Facebookseite besucht, wird im Header von einem einzigen Wort begrüßt: DEUTSCHPUNK!
Dabei gibt es doch so viel, das Turbostaat seit jeher von so gut wie jeder anderen Band, die man mit diesem Begriff assoziieren würde, unterscheidet: Wo die Kollegen Parolen schmettern, gefühlsduseln oder Späßchen machen wollen, vermitteln Turbostaat Stimmungen. Und zwar meistens ein ganz bestimmtes: Beklemmung. Wenn Jan Windmeier textet, sind Verzweiflung, Tod und Scheitern selten allzu weit entfernt. Wenn nun das neue Album den erbaulichen Titel „Stadt Der Angst“ trägt, darf dreimal geraten werden, wieviel sich hier geändert hat.
Schon die Verfallslyrik des Openers „Eine Stadt Gibt Auf“ lässt die Frage aufkommen, ob Gottfried Benn einst Kinder in Schleswig-Holstein gezeugt hat. Auch der dazugehörige, eher gemächliche Song orientiert sich so sehr an Turbostaat-Schemata, dass sogar das Intro dem des mittlerweile zehn Jahre alten „M – Eine Stadt Sucht Ihren Mörder“ verdächtig ähnelt. Jene bekannten Strukturen werden im weiteren Verlauf jedoch überraschend oft durchbrochen: „Tut Es Doch Weh“ klingt, als hätten Interpol nicht nur Deutsch gelernt, sondern außerdem noch weniger Spaß am Leben, als sie scheinbar sowieso schon haben; „Sohnemann Heinz“ leistet sich ein perkussives Interlude und mit dem relativ cleanen „Willenshaft“ könnten Turbostaat glatt mal den Bundesvision Songcontest aufmischen – nur um zu sehen, was passiert.
Ganz allgemein scheinen Musik und textliche Inhalte auf „Stadt Der Angst“ an vielen Stellen so sehr aufeinander abgestimmt wie selten zuvor bei Turbostaat: So ist es geradezu gemein, wie die irgendwie süß-durchgeknallte Rhythmuslinie von „Alles Bleibt Konfus“ monotones Warten konterkariert. Wenn Windmeier zum Abschluss des Albums schließlich Zeilen vom niemals enden wollenden Krieg in ein hallendes Echo kotzt, kommen die Nordlichter dem Noise so nah wie noch nie zuvor. Ihre ganz eigene Nische in der deutschsprachigen Musikwelt füllen Turbostaat überzeugender aus denn je. Dass diese ein enges, bedrückendes Loch ohne viel Sonnenschein ist, macht ja nichts – soll der Rest doch den anderen Deutschpunk hören.
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