Rezension

Tomahawk

Anonymus


Highlights: Ghost Dance // Red Fox // Omaha Dance // Sun Dance
Genre: Avant-Rock // Industrial // World Music
Sounds Like: Faith No More // Einstürzende Neubauten

VÖ: 22.06.2007

„Tomahawk“ melden sich zurück und drehen das Liedgut der amerikanischen Urbevölkerung, den Indianern, durch den musikalischen Fleischwolf. Angesichts des Band-Namens war „Anonymous“ schon längst fällig. Und man braucht nur ein wenig Vorstellungskraft aufzubieten und schon sieht man Mike Patton vor dem inneren, geistigen Auge mit dem Beil in der Hand ums Lagerfeuer hopsen und lautmalerisch beschwörende Töne von sich zu geben - „Hey hey wada-wa-wa-hey“ oder so ähnlich klingt das dann. Das wäre ein Schauspiel gewesen, wäre die Platte so aufgenommen worden. In Wirklichkeit hat Patton (Fântomas, Ex-Faith No More) seinen Part (Samples und Gesang) zur Platte im sonnigen San Francisco hinzugefügt.

Den musikalischen Grundstock hatten bereits vorher Gitarrist und Tomahawk-Mastermind Duane Denison (Ex-The Jesus Lizard) und Drummer John Stanier (Ex-Helmet) in der Country-Hochburg Nashville gelegt. Das Baukasten-Prinzip funktioniert. Der Mix von mystischer Tradition und industrieller Neuzeit hinterlässt keinen faden Beigeschmack, es klingt alles rund. Fatal ist der Umstand, dass sich die unsäglichen „Rednex“ aus den untersten Schubladen meines Gedächtnis wieder in Erinnerung rufen. Dabei hat die schwedische Dance-Pop-Truppe mal gar nichts mit der Musik von „Tomahawk“ zu tun, leider aber das Thema der indianischen Musik. Glücklich schätzen kann sich derjenige, der noch nicht „The Spirit Of The Hawk“ über sich ergehen hat lassen müssen.

Düster, beschwörend, aggressiv, geheimnisvoll und voll mit rituellem Spirit, so präsentiert sich „Anonymous“. Monotone Rhythmen und sphärische Klänge bestimmen die Soundcollagen, die dem Hörer entgegenschwappen. So passt es ins Bild, dass Patton die ersten zusammenhängenden (englischsprachigen) Sätze in „Cradle Song“, immerhin schon Lied Nummer fünf, zu Stande bringt. Teilweise klingt es schon fast nach einer esoterischen Meditations-CD, aber zum Glück nie zu lange. Zu eindringlich singt Patton etwa in „Totem“, zu hibbelig wirbelt das gerade mal knapp über eine Minute lange „Song of Victory“. „Tomahawk“ gewähren der Musik ihre Freiheit. Das lässt auch Raum für eine knackige Pogo- und Headbanging-Attacke in „Sun dance“. Fast schon nach Hip-Hop klingt der Sprechgesang in „Mescal Rite 2“. Was der wandlungsfähige Patton mit seiner Stimme anstellen kann, zeigt er in dem von einer unheimlichen dichten Atmosphäre getragenen „Omaha Dance“. Faith No More sind auf dieser Platte nie näher.

„Anonymous“ verklingt mit dem unspektakulären Instrumental „Long, long weary day“. Als es verklungen ist, mag man gar nicht glauben, dass der Trip schon vorbei ist. Was mit dem „War Song“ mit Donner und Regen begann, endet nach knappen 44 Minuten – leider viel zu früh.

Joachim Frommherz

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