Rezension

Tiger Lou

A Partial Print


Highlights: A Partial Print // Odessa // An Atlas Of Those Our Own
Genre: melodramatischer Postpop
Sounds Like: iLiKETRAiNS // Muse // Get Well Soon

VÖ: 31.10.2008

Wenn eine Platte geschrieben, aufgenommen und fertig produziert ist, dann stirbt sie. Zumindest für Rasmus Kellerman. Das ist das Gefühl, das er durchlebt, wenn er mit der Arbeit, in dem Fall an "A Partial Print", abgeschlossen hat. Und so klingt der Anfang seines dritten Albums auch fast wie ein Requiem, zumindest aber wie eine ruhige Nummer der Nine Inch Nails oder von Marilyn Manson. Verständlich wird das, wenn man sich den Namen des Mannes ansieht, der für die schlussendliche Abmischung verantwortlich ist: Sean Beavan. Er stand schon mit Trent Reznor und Manson im Studio. Und nun eben mit Kellerman, der unter dem Künstlernamen Tiger Lou arbeitet. Eigentlich ein Ein-Mann-Projekt, auch wenn sein Tourdrummer Pontus Levahn bei den meisten Songs die Schlagzeugparts einspielte und bei Liveauftritten drei weitere Musiker hinzustoßen.

Der Opener "The More You Give" beginnt melancholisch, erst instrumental, dann mit bedächtigem Gesang. Und dann kommt ein mitreißender Beat, Kellermans Stimme wird immer hypnotischer, und ehe man sich versieht, hat längst der zweite Titel "The Less You Have To Carry" angefangen. Muse lassen grüßen, nicht nur in diesen beiden Songs - auch wenn Kellerman seine Stimme nicht so quält wie Matthew Bellamy. Ruhig und eher zurückhaltend präsentiert er sich in den nächsten Liedern. Die Melodie, das Gefühl stehen im Vordergrund. Melancholie macht sich breit, nicht aber Hoffnungslosigkeit. "An Atlas Of Those Our Own" ist eines dieser Stücke, zu denen man sich bereitwillig fallen lässt, die live eine unbeschreibliche Atmosphäre schaffen, durch die Vielseitigkeit aus ruhigen Passagen und sich auftürmenden Notenbergen.

Schwermut par exellence zeigt Tiger Lou im Stück "Odessa". Diese Stadt in der Ukraine, der schon Heinrich Böll ein literarisches Denkmal setzte, und in der Tausende Kriegsgefangene starben, bietet aber auch nur wenig Ansatz zu einer fröhlichen Ausstrahlung. "Trails of Split" wird geprägt von Levahns Schlagzeug, "Crushed By A Crowd" durch einen Rhythmus, der noch mal Leben reinbringt und das große Finale einläutet, den mehr als neun Minuten langen Titeltrack "A Partial Print", ein wunderschönes Opus, das noch einmal alles vereint, was die neun Titel zuvor ausgezeichnet hat.

Rasmus Kellerman ist sicher eines der interessantesten Alben des Jahres gelungen. Dieser bittersüße Schwermut, die wunderbar aufgebauten Songs, die großartige Produktion von Sean Beavan sorgen zumindest für das interessanteste Tiger-Lou-Album. Und wenn er im Spätherbst auf Tour geht, dann sollte sich das keiner entgehen lassen, denn live umgarnen einen seine Melodien noch viel stärker. So stark, dass man hinter Kellermans Aussage von der gestorbenen Platte eher einen geschickten Bluff vermutet.

Martin Korbach

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