Rezension
Thom Yorke
Tomorrow's Modern Boxes
Highlights: A Brain In A Bottle // Interference // The Mother Lode
Genre: Electronica
Sounds Like: Radiohead // U.N.K.L.E. // Aphex Twin
VÖ: 26.09.2014
Thom Yorkes zweites Soloalbum nach The Eraser ist ein äußerst bescheidenes. Es kam sehr überraschend und kündigte sich durch keinerlei Marketing-Rummel an. Auch musikalisch hält es sich zunächst etwas zurück, braucht Zeit und fällt nicht gerade mit der Tür ins Haus. Und das alles, obwohl „Tomorrow's Modern Boxes“ allein insofern schon eine ganz besondere Veröffentlichung ist, also dass sich hier die Reihe der Radiohead'schen Experimente, den Musikmarkt zu erneuern, fortsetzt.
Als Radiohead 2007 ihr Album „In Rainbows“ zu einem frei wählbaren Preis verkauften, beschrieben sie diesen Pay-what-you-want-Ansatz noch als Lösung, die für Radiohead funktionieren kann, nicht aber für die ganze Musik-Industrie. Diese versuchte Yorke nun mit „Tomorrow's Modern Boxes“ ganz zu umgehen. Was als Experiment angekündigt war, lief dann folgendermaßen ab: Das Album wurde direkt von Yorke ohne Umweg über eine Plattenfirma veröffentlicht und über die Filesharing-Plattform Bit Torrent vertrieben. So sollten Yorke und Produzent Nigel Godrich zufolge selbsternannte Gate-Keeper außen vor gelassen werden: „It's an experiment to see if the mechanics of the system are something that the general public can get its head around … If it works well it could be an effective way of handing some control of internet commerce back to people who are creating the work. Enabling those people who make either music, video or any other kind of digital content to sell it themselves. Bypassing the self elected gate-keepers. If it works anyone can do this exactly as we have done.“
Ob wirklich jeder diesem Beispiel folgen kann ist äußerst zweifelhaft, denn wohl die wenigsten würden mit einer quasi unangekündigten Selbstveröffentlichung eine Million Downloads in den ersten sechs Tagen erreichen. So war das Experiment „Tomorrow's Modern Boxes“ wohl vor allem ein finanzieller Coup. Obwohl das Album für schmale 6$ angeboten werden konnte, kann Yorke pro verkauftem Album deutlich mehr Geld abgreifen als bei einer „regulären“ Veröffentlichung.
Nun aber genug zur Veröffentlichungsstrategie. Musikalisch gibt sich „Tomorrow's Modern Boxes“ extrem introvertiert, die Bezeichnung Soloalbum trifft hier voll und ganz zu, denn Yorke wendet sich fast komplett von etwaigen Kooperationspartnern ab. Lediglich die Beats zu „Guess Again!“ wurden von Radiohead-Bassist Colin Greenwood beigesteuert. Ansonsten ist Yorke allein auf weiter Flur und selbst er entzieht sich den Hörern zum Ende des Albums hin immer mehr. Sounds ohne eindeutigen Ursprung kreisen um sich selbst, allein zusammengehalten von der gewohnt nasalen Stimme. Auf der A-Seite dagegen deutlich mehr Präsenz, vor allem „The Mother Lode“ sticht hier heraus und rechtfertigt alleine schon das Album. Stärker ist Yorke sicherlich, wenn er sich darauf beschränken kann, Soundskizzen anderer Künstler das entscheidende Stückchen Genialität einzuhauchen, wie etwa bei Flying Lotus' „...And The World Laughs With You”. Die Zeit bis zum Erscheinen eines neuen Radiohead-Albums kann man dennoch getrost mit „Tomorrow's Modern Boxes“ überbrücken, denn ein Thom Yorke solo ist immer noch besser als gar nichts von Radiohead zu hören.
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