Rezension

The Ting Tings

We Started Nothing


Highlights: Traffic Light // Keep Your Head // Be The One // Great DJ
Genre: Indietronic // Pop
Sounds Like: Los Campesinos! // Tom Tom Club // Dear Eskiimo

VÖ: 30.05.2008

Es könnte ein Jahr werden, an das Manchester noch lange zurück denken wird. United hat neben dem Ligatitel auch die Champions League gegen Chelsea London eingefahren und jetzt kommt auch noch eine kleine Popsensation aus der Heimat von Oasis und Joy Division. Genauer gesagt kommen die Ting Tings aber aus einem Vorort, aus Salford, ein Städtchen, das hierzulande fast völlig unbekannt ist, obwohl es Vorbild für den Schauplatz der Coronation Street ist, der britischen Lindenstraße. Aber selbst das klingt eher nach Trash als nach Indietronic. Und es dauerte auch ein wenig, bis die Ting Tings durchstarten konnten.

Kennengelernt haben sich Katie White und Jules de Martino in Wigan, ebenfalls im industriellen Dunstkreis von Manchester gelegen. De Martino selbst stammt aus London, studierte Kunst, ist ein Gegenpol zur nordischen, schroff-charmanten White. Diese Gegensätze sind wichtig für die Band. Sie bringen sich in ihrer Anfangszeit Musik näher, die der andere wenig bis gar nicht kannte. Ihr erstes Projekt war Dear Eskiimo, damals noch ein Trio samt DJ. Nach einer EP ließ sie die Plattenfirma fallen. Der dritte Mann verabschiedete sich, auch de Martino wollte seine Koffer packen, doch White konnte ihn überzeugen zu bleiben.

In The Mill, einer alten Mühle, belegten sie ein Studio. Ein legendärer Aufnahmeraum, in dem The Smiths früher ein und aus gingen. De Martino setzte sich ans Schlagzeug, White probierte es mit einer Gitarre, es misslang, sie schmiss sie wütend durch die Gegend - und dann war er da, der Einfall zum Hit. "Great DJ" basiert auf einem geloopten, kaputten Akkord. Der Song schafft es ins Radio, die Welle rollt an. Auf britischen Radiosendern werden sie als das neue große Ding angekündigt. Völlig zurecht. Die Nachfolge-Single "That's Not My Name" bedeutet endgültig den Durchbruch, schießt im Königreich direkt an die Spitze der Charts. Kein Wunder, dass "We Started Nothing" mit genau diesen beiden Liedern beginnt.

Catchy sind sie, die zehn Titel. Aber keinesfalls alle schnell. Nach dem ebenfalls noch tanzwütigen Knaller "Fruit Machine" fahren die Ting Tings ein paar Gänge runter. "Traffic Light" erinnert im Unterton an eine Kirmesorgel. Beziehung und Verkehrswesen in the Mix. Danach der nächste große Hit. "Shut Up And Let Me Go" wurde direkt von Apple für die neue iPod-Werbekampagne gekauft. Wer mag da noch zweifeln, dass die Band es geschafft hat? Die zweite Hälfte der Platte wird ruhiger, aber dennoch mit Beats und Melodien, die nicht gerade zum Stillsitzen ermutigen. "Keep Your Head" ist antreibend, "Be The One" ein warmer, glücklich machender Popsong, "We Walk" marschiert ins Ohr und im Kopf herum, "Impacilla Carpisung" ist LoFi vom Feinsten. Den Abschluss macht der auf sechseinhalb Minuten aufgeblähte Titelsong.

"We Started Nothing" ist das ohrwurmlastigste Album des Jahres, das kann man schon jetzt festhalten. Die Einflüsse aus Indie, Electro, Funk und Pop wurden durchgemischt, das Beste herausgezogen. Manche werden es anstrengend finden, viele werden es lieben. Wer gar nicht genug bekommen kann, sollte nach der Dear-Eskiimo-EP Ausschau halten. Und natürlich nach den Singles der Ting Tings, denn die Remixe müssen sich nicht hinter den Radiomixen verstecken. Auf gehts, Salford bei Manchester! Feiert eure Kinder! Das Popjahr 2008 gehört euch.

Martin Korbach

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