Rezension

The Roots

Undun


Highlights: Kool On // Tip The Scale // Redford (For Yia-Yia & Pappou) // Possibility (2nd movement) // Will to power (3rd movement) // Finality (4th movement)
Genre: Rap
Sounds Like: Common // Mos Def // Talib Kweli

VÖ: 02.12.2011

Am Anfang steht ein langes Fiepen. Der Sound, der das letztendliche Versagen des Herzens veranschaulicht. So beginnt "Undun" – Album Nr. zwölf von The Roots – und weist bereits dezent auf das hin, was da noch kommen mag: eine komplexe Story – nämlich die eines Lebens – abgehandelt in 14 Songs.

Das letzte Lebenszeichen auf "Dun" – dem Eröffnungstrack – kommt von Redford Stephens, einem auf die schiefe Bahn gekommenen jungen Mann, dessen Leben durch einen Schuss ein viel zu frühes Ende nimmt. Redford Stephens und die Geschichte dahinter sind fiktiv – die philosophischen Fragen, die Rapper Black Thought und Kollegen hier behandeln, sind es nicht. Fragen wie "Ist der Mensch von Geburt an böse?", an denen sich große Denker wie Jean-Jaques Rousseau oder Thomas Hobbes bereits abarbeiteten, werden ebenso diskutiert wie die Spannung zwischen persönlichem Willen oder individuellem Charakter und dem alltäglichen sozialen Kontext.

Kann Rapmusik, oder mehr noch Popmusik, das leisten? ?uestlove, Black Thought und die ihrigen können. The Roots schaffen den oft als unmöglich eingeschätzten Spagat zwischen musikalischer Finesse, Popaffinität und gehaltvollem Inhalt. Und welches Genre, wenn nicht das des Rap, vermag es, das kurze Leben eines in die Kriminalität abgerutschten Menschen und dessen Absturz so glaubhaft aufzubereiten? Die Gefahr einer Klischeeschlacht ist hier omnipräsent. Doch wer die Roots kennt, muss sich darum nun wirklich keine Sorgen machen.

"Undun" beginnt also mit dem Tod und arbeitet sich rückwärts am Leben des Redford Stephens ab. Parallelen zur Dramaturgie von Memento poppen auf. Träume werden von der bitteren Realität erschlagen und zertrümmert. Es folgt der erste Rausch und das langsame Abrutschen eines normalen Jungen, der nichts weiter wollte als ein normales Leben zu führen. Größenwahn und Selbstzweifel prägen das Leben des jungen Mannes, der schließlich und endlich in dem Moloch verendet, in das er sich hat hineinziehen lassen.

Musikalisch steht der Rap Black Thoughts klar im Mittelpunkt, dessen Worte selten in einen solch intensiven Flow zergingen wie auf "Undun", während sich daneben Piano-Passagen und tighte Basslines, poppige Hooks und Jazz-Anleihen zu einer Avantgarde-Variante der Pop-Oper verdichten. Und spätestens, wenn Sufjan Stevens mit "Redford (For Yia-Yia & Pappou)" die erste Interpretation seines zum Epos in vier Takten gewachsenen Songs zum Besten geben darf, ist klar, dass die vermeintlichen Grenzen des Genres Rap hier ein für allemal weggewischt wurden.

?uestlove sagt, dass "Undun" die Roots am Gipfel ihrer Schöpfung zeigt. Wer daran zweifelte, muss sich angesichts dieser zur Rap-Oper avancierten Genialität eines besseren belehren lassen. "Undun" ist der Soundtrack zu einer inneren philosophischen Auseinandersetzung mit sich selbst, der keine Fragen beantworten kann und das auch nicht will. Mit dieser Platte haben sich The Roots nicht übernommen. Das ist die beste Nachricht, die diesem kleinen Meisterwerk innewohnt.

Andreas Peters

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