Rezension

The Big Pink

A Brief History Of Love


Highlights: Velvet // Frisk // Too Young To Love // Golden Pendulum
Genre: Indie// Elektro// Industrial// Rock
Sounds Like: Sonic Youth // Deerhunter // Nine Inch Nails // My Bloody Valentine // LCD Soundsystem// The Cure

VÖ: 11.09.2009

Eine Einweisung in die Geschichte der Liebe. Ausgerechnet am wohl meistbeschriebenen Thema der Menschheitsgeschichte versucht sich das Duo The Big Pink mit ihrem Debütalbum dieser Tage. Nicht nur, dass es heißt, alles wäre schon geschrieben über das Wort mit den fünf Buchstaben, auch musikalisch scheinen die zwischenmenschlichen Irrungen und Wirrungen seit Jahren ausgereizt. Wenn dazu auch noch der Bezug zu jenen Bands und Musikern greifbar nahe ist, die in den letzten 30 Jahren gründlich jeden Weg der Liebe ergründet haben, kann es sich bei „A Brief History Of Love“ doch nur um ein Wandeln auf ausgetretenen Pfaden, ein Wieder-Aufwärmen bekannter Themen und Umsetzungen sein. Oder etwa nicht? Sollte es einem jungen Londoner Duo, das bislang nur Eingeweihten ein Begriff war, wirklich gelingen, aus Altbackenem Neues zu schaffen?

Nun, wie selbstverständlich schon vor den ersten Zeilen dieser Rezension durch den Punktwert ersichtlich: The Big Pink müssen wohl etwas Besonderes sein. Bereits die ersten Töne von „Cristal Visions“ klingen verstörend. Feedback trifft auf Klaviermelodie, ein Grundrauschen stellt sich ein, von irgendwoher schellt ein Tamburin. Fast möchte man dem Opener unterstellen, er sei ein Folksong, dann setzt plötzlich der Gesang ein, der sich irgendwo in der Nähe von Oasis platziert. Vergleichsweise leichte Kost ist das jedoch zu dem, was noch folgen wird. Eingängig – ja, auf jeden Fall. Komplex – auch das. Fast hypnotisch wirkt der zusammen mit einer explodierenden Lärmwand verkündete Refrain. „Too Young To Love“ schließt dort an, tritt loslassend aufs Gaspedal und könnte auch ein Remix von LCD Soundsystems „Us And Them“ sein - nur, dass Deerhunter ihre Finger und Gitarren mit im Spiel haben.

Harte HipHop-Beats unterlegen den Anfang von „Dominos“, die erste Single des Albums. Trotz dessen konstruieren Robbie Furze und Milo Cordell hier wohl einen der fiesesten Indiehits und Ohrwürmer des Jahres. Das anschließende „Love in Vain“ klingt irgendwie nach einem ruhigerem The-Cure-Stück aus deren „The Top“-Zeiten und ist dabei ein wenig zu langsam geraten. Mit „At War With The Sun“ liefern die Zwei danach einen weiteren glasklaren Popsong, der zwar recht schön anzuhören ist, aber Sekunden später völlig verblasst, angesichts dessen, was nachkommt: „Velvet“. Nachdem das Intro scheinbar bei „The Great Destroyer“ der Nine Inch Nails ausgeliehen wurde und auf eine falsche Fährte weist, sorgen schon die ersten Zeilen mit „I’ve seen it in my hands // Burn in my heart // I’ve seen it in my past // Back in my home // But does it make sense to see her again // I don’t know“, die so perfekt auf die Vorgänge im Kopf eingesungen sind, die für Gänsehaut, offene Münder und bedächtiges Nicken zuständig sind, für eben jenen Effekt. Ebenso perfekt auf den Punkt gebracht ist der Moment, all dies im Refrain in sich zusammenstürzen zu lassen: „She’s the only one // Lost the best I had // Found her in a dream // looking for me // The heart’s on fire // i’ll bring myself // up to fall // and down again“.

Wer dann nach endlosem Zurückskippen in der Lage ist, sich “Golden Pendulum” anzuhören, wird kaum herumkommen, einen leichten Niveauabfall festzustellen, alles andere wäre aber auch zu viel des Guten. Nichtsdestotrotz wissen die Beiden auch hier wieder mit raffiniert übereinander platzierten Soundschichten zu überzeugen. „Frisk“ gibt eingangs den schleppenden, mit Nintendo-Beats untermalten, zurückgenommenen Song, aber auch hierbei soll der erste Eindruck täuschen. Wieder schafft es Robbie Furze, seine gar nicht mal so sehr markante, aber durch einen Sinn für Melodie gesegnete Stimme perfekt in Szene zu setzen. Der Titelsong scheitert dann leider an dem Versuch, auch noch Folk à la Black Mountain in das Konglomerat an Einflüssen und Verweisen einschließen zu wollen.

„Tonight“ widmet sich einmal mehr denen, die auch Gefallen an „Dominos“ finden werden und denen der Rest des Albums mit seinen überlagerten Klängen wohl etwas zu komplex sein könnte. Das abschließende „Countbackwards From Ten“ zeigt kurz, das The Big Pink zumindest rudimentär die Pixies gehört haben müssen und beendet dann in einem langsam voranscheppernden Kraftakt dieses Debüt des Jahres.

Klaus Porst

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