Rezension

The 1975

Notes On A Conditional Form


Highlights: Jesus Christ 2005 God Bless America // If You‘re Too Shy (Let Me Know) // What Should I Say
Genre: Indie // Electronics // Pop // Wave
Sounds Like: Chet Faker // Bastille // Sigur Ros

VÖ: 22.05.2020

„Notes On A Conditional Form” ist der lang angekündigte Part 3.2 der Albumtrilogie, die seit dem Debüt aus dem Jahr 2013 dem Schaffen der Band ein Dach gibt. Und das, wie Sänger Matthew Healy in der Vergangenheit mehrmals andeutet, vielleicht das letzte Album von The 1975 sein wird. In 22 Songs zeigt es eine Band auf dem Höhepunkt ihres bisherigen künstlerischen Schaffens, als gereifte Persönlichkeiten, gezeichnet von der Welt, die sie umgibt und den Möglichkeiten, die sich ihnen eröffnen. Dabei werden persönliche Ängste und intime Momente genauso thematisiert wie die großen, globalen Themen dieser Generation. Für die Band nichts Neues, nach feministischen und anti-homophoben Statements auf Festivals weltweit, mit denen sie sich unlängst von ihrem Feel-Good Indie-Image emanzipierten.

Es überrascht daher nicht, dass der Trademarksong der Band „The 1975“ (der bisher auf allen drei Vorgängeralben in abgewandelter Version erschien) untermalt mit einer fast fünf-minütigen Rede von Greta Thunberg das Album eröffnet. Die darauf folgenden 21 Songs wirken wie eine wahllose Zusammenstellung quer durch einen Großteil der massenkonformen Spielarten des popkulturellen Spektrums. Das Genre-Hopping erinnert dabei an die Spotify-Playlist so ziemlich jeder WG-Party mit frei zugänglichem Handy: Auf wütenden Garage folgen Ambient, Deep House, Indie- und 80s-Pop, R’n’B und Reggae-Grooves. Mal typisch The 1975, mal instrumental und experimentell. Klingt unvereinbar? Ist es auch. Zumindest im klassischen Albumformat. Doch ist „Notes On A Conditional Form“ alles andere als ein normaler Release. Hier werden vermeintliche Grenzen des Album-Konzepts ignoriert (im Streaming-Zeitalter auch marketingtechnisch nicht der blödeste Move) und sich jeder Einordnung verweigert. Wer sucht, der findet: Bon Iver und Salves, Chet Faker und Phil Collins. Die beiden prominenten Gastacts FKA Twigs und Phoebe Bridgers stehen exemplarisch für die Bandbreite, die The 1975 auf „Notes On A Conditional Form“ abbilden.

Die Songs wirken dabei nicht alle besonders ambitioniert und griffig, sondern eher wie lose Fragmente, angeordnet in einem Mosaik, um dem größeren Bild zu dienen. Einmal darauf gestoßen, scheinen die Einzelteile wie der verträumte Indie-Folk-Song „Jesus Christ 2005 God Bless America“ (gemeinsam mit jener Phoebe Bridgers), der 80s-Pop-Hit „If You‘re Too Shy (Let Me Know)“ oder das The-1975-typische „Me & You Together“ umso heller hervor, sodass das Gesamtbild am Ende bleibenden Eindruck hinterlässt. Kaum eine andere Band der 2010er-Jahre hat sich die Essenz des post-modernen Pop so angeeignet wie The 1975. Sollte es tatsächlich das letzte Album der Band sein, verliert die Generation Y nicht nur eins ihrer exemplarischsten Aushängeschilder, sondern der Mainstream auch einen der mündigsten Protagonisten.

Abhilash Arackal

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The 1975 - If You’re Too Shy (Let Me Know)
The 1975 - People

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