Rezension

Swans

To Be Kind


Highlights: -
Genre: Noise-Rock // Post-Rock
Sounds Like: The Angels Of Light // Sunn 0))) // Slint // Godspeed You Black Emperor

VÖ: 09.05.2014

Eigentlich dachtest du, du hättest alles gehört und alles gemeistert: Sunn 0))), Earth, Sleep. Die neue Swans? Lediglich eine weitere Kerbe in deiner Stereoanlage, nichts als eine leichte Aufwärmübung deines mit sämtlichen Dissonanzen gewaschenen Trommelfells. Doch nun läuft „To Be Kind“ schon zum zehnten Mal und ist immer noch ein undefinierbarer Lärmbrei. Langsam entweicht dir der lange Atem, während das Engelchen links dir kumpelhaft auf die Schulter klopft, dir sanft „Nur Mut, Geduld zahlt sich aus“ zuflüstert und das Teufelchen rechts was von „prätentiöser Scheiße“ raunt und auf die Genfer Konvention verweist. Und irgendwie haben beide natürlich Recht. Deine Nerven flattern. Die Deadline, die Deadline! Ein weiterer, nein, ein allerletzter Durchlauf.

„To Be Kind“ ist primär eine Übung in Geduld. Wie der Vorgänger „The Seer“ schafft das neue Werk der Swans es auf stattliche zwei Stunden, also immerhin auf mehr als die gesamte Discographie von Minor Threat. Wer nun allerdings aufgrund der Spielzeit schon vor seinem geistigen Auge Trolle mit Einhörnern kopulieren sieht und ähnlichen Spinal Tap’schen Konzeptquatsch befürchtet: Die Swans spielen glücklicherweise keinen Progressive Rock im verabscheuungswürdigen Sinn der siebziger Jahre. Obwohl die 1982 in New York gegründete Band seit ihrer Reunion von 2010 quasi vollständig die abstrakten und sperrigen No-Wave-Elemente abgestreift hat, bleibt eine unkonventionelle, stets vorwärtsdenkende Mischung aus Noise und Post-Rock. Songlängen zwischen 7 und 34 Minuten verdeutlichen: Mit 60 nimmt sich Michael Gira mehr Zeit denn je für seine Arrangements. Von wegen tempus fugit.

„To Be Kind“ ist anstrengend? Natürlich ist „To Be Kind“ anstrengend! Das hier ist Kunst. Große. Ernste. Schwere. Natürlich pendelt die Platte ständig zwischen prätentiöser Kacke und doch ganz faszinierenden Klängen hin und her. Und während draußen der Frühling sein blaues Band unbeschwert durch die Lüfte flattern lässt, krächzt dieser Schwan ganz schön heiser in seinem brackigen Tümpel, um sich dann doch irgendwann aus diesem irdischen Sumpf zu erheben. Tatsächlich: Nach der nötigen Einhörzeit kommt sie dann, die viel beschworene hypnotisierende Wirkung, die himmlische Transzendenz. Und so verquirlen Mantragesänge, Pferdegewieher und sich endlos wiederholende Gitarrenriffs zu einem Strudel, der dich die Zeit vergessen lässt. Einzelne Songs braucht man gar nicht hervorzuheben. Das hier ist ein Gesamtkunstwerk, welches nicht seziert werden darf, weil es sonst nicht funktioniert.

Auf den allerletzten folgt also doch der allerallerletzte Durchlauf und mit jedem einzelnen grinst das Engelchen dann doch etwas erhabener und siegessicherer von deiner müden Schulter. Was lange währt, wird endlich schön.

Yves Weber

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