Rezension

Sons Of Noel And Adrian

Sons Of Noel And Adrian


Highlights: Ragwort // The Wreck Is Not A Boat
Genre: Progressive Folk
Sounds Like: Iron & Wine // The Black Heart Procession // Wovenhand // Murder By Death

VÖ: 15.09.2008

Übrig bleibt Tristesse. Übrig bleiben geisterhafte Konturen und eine Atmosphäre der Bedrückung, wenn die Rahmenbedingungen dieser Platte außer Acht gelassen werden. Wenn es möglich ist, zu ignorieren, dass sie über das Medium CD zum Hörer gelangt, wenn darüber hinaus geblickt werden kann, dass sie einst komponiert, eingespielt und aufgenommen wurde, dann bleibt dieses befremdliche, triste Gefühl übrig. Hinfort ist dann die Welt, nur noch diese 48 Minuten Musik drücken auf das Herz, während der Kopf sich fragt, ob gerade wirklich das Jahr 2008 geschrieben wird.

Denn solange Menschen den Tod fanden und solange ihre Geliebten um sie trauerten, so lange gibt es Klagelieder. Anstelle der Sons Of Noel And Adrian könnte es auch Daedalus sein, der in fast ewig zurückliegender antiker Mythologie voller Wehmut um seinen vom Himmel gefallenen Sohn Icarus trauert. Oder Vatermörder Ödipus, der unwissend seine Mutter zur Frau und sich selbst das Augenlicht nahm, als er viel zu spät erfuhr, was er seinen Eltern angetan hatte. Genauso zeitlos wie der Schrecken der Tragödie, des Leidens, des Todes ist seine Musik.

Nun, ästhetische Herangehensweise hin oder her: neun gebrochene Stücke liefern die Sons Of Noel And Adrian gesenkten Hauptes auf ihrem Debüt. Zwei akribisch gespielte Akustikgitarren, die geheinminsvolle Pickings ineinander weben oder mit größtmöglicher Zärtlichkeit schwermütige Akkorde übereinander flechten, legen das Fundament. Ein strauchelnder Gesang klagt zitternd darüber, entweicht von Lippen, die so schwach scheinen, als würden sie schon selbst den erlösenden letzten Atemzug herbeisehnen. Auch die Streicher wissen um keine Stütze, klagen und weinen mit, Percussion kommt bis kurz vor Schluss nicht zum Einsatz. Alles scheint verloren, jede Chance vertan.

Obwohl am Ende „The Wreck Is Not A Boat“ und „Inside Olympia“ ein wenig Erde vom Grab schaufeln und Licht einlassen: es ist einfach zu viel. Die Atmosphäre auf „Sons Of Noel And Adrian“ bedrückt zwar beeindruckend, ist aber nicht lange durchzuhalten. Wie auf dem Sterbebett geschrieben, umschlingt sie den Hals des Hörers mit knochigen Armen und haucht ihren kühlen, schwachen Atem auf seine Stirn. Wer diesem schmerzvollen Blick in die Augen eines Sterbenden 48 Minuten lang aushält, muss entweder zuvor im Lotto gewonnen haben – oder sich eben in irgendeiner Art tatsächlich in der Musik wiederfinden. Für alle anderen zerren sich diese 48 Minuten gefühlt zu einem Fußballspiel mit Verlängerung und Elfmeterschießen – leider ohne den Nervenkitzel am Ende, denn der Verlierer steht bereits fest.

Eigentlich beachtlich, wie authentisch Sons Of Noel And Adrian imstande sind, ihre Emotionen auf den Hörer zu übertragen. Wer schon einmal unterwegs mitten in einem Sigur-Rós-Song den mp3-Player ausschaltete, um nicht in aller Öffentlichkeit seine wässrigen Augen preisgeben zu müssen, weiß, wie mächtig so ein Gefühl sein kann. Bei den Sons Of Noel And Adrian läuft es genau umgekehrt: man möchte diese Platte überhaupt nicht auflegen. Beziehungsweise nur zu ganz bestimmten Zeitpunkten. Nicht in Trauer, weil diese dann noch trauriger wird und nicht in Freude, weil diese dann hinüber ist. Wann also dann?

Gordon Barnard

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