Rezension
Soap&Skin
Lovetune For Vacuum
Highlights: The Sun // Thanatos // Brother Of Sleep
Genre: Melopop
Sounds Like: Björk // Nico // PJ Harvey
VÖ: 13.03.2009
“Lovetune for Vacuum” ist eine mitreißende Platte. Ein böser langer Traum, in dem das ganze Leben noch einmal an dir vorbeizieht und du am Ende froh bist, dass es doch nur ein Traum war. Eine böse lange Illusion, die alle Facetten der Wirklichkeit punktgenau spiegelt und in etwas dramatisches verkehrt. Kein Album über den Tod, sondern eines, das eine Symbiose mit ihm eingeht, von einem 18-jährigen Mädchen aus Österreich.
Das klingt nach einem gelungenen Marketingkonzept. Der Verdacht scheint sich zu bestätigen, wenn man dieser Tage in die Feuilletons der großen Zeitungen blickt und Anja Plaschg aka Soap&Skin in den höchsten Tönen gelobt wird. Tatsächlich ist “Lovetune For Vacuum” aber ein Album, das entstand, weil sich ein Mädchen, das sich auf dem österreichischen Land schon immer irgendwie als Außenseiterin gefühlt hat, ihre Klavieretüden einpackte, den Laptop zuklappte und in die Welt hinausfuhr. Spricht man sie auf ihre Musik an, wirkt sie schüchtern, sie vermag mit Worten nicht auszudrücken, was sie musikalisch auf's intensivste imstande ist. Sympathisch ist das und macht gleichzeitig klar, dass das Dunkle, Bedrückende ihrer Musik keine Pose, kein Selbstzweck ist, sondern das Produkt eines ehrlichen künstlerischen Outputs.
Im Vorfeld des Debüts wurden Vergleiche mit Nico gezogen, die nicht nur durch den zweifellos vorhandenen Akzent ihre Berechtigung finden. “Sleep” ist als erster Track von einer verstörenden Nonchalance, und kommt mit minimalistischen Pianoeinsatz und subtilen Beateinspeisungen aus, verängstigt aber als Opener ebenso wie er es direkt vermag, in das faszinierende Universum, das einen erst in den letzten Klängen von “Brother Of Sleep” loslässt, einzutauchen. Dazwischen steht die Welt still. Ein Traum in reinster musikalischer Form. Einer dieser Träume, der die Grenze zwischen Gut und Böse, Freude und Bedrohlichkeit verwischt. So ist “Cry Wolf” ein melancholischer Blick auf etwas Vergangenes, die audiovisuelle Umsetzung jener Erinnerungen, die durch ihre reine Schönheit und zugleich den Zustand des Vergangenen das Herz zu zerreißen drohen. “Thanatos” ist da geradliniger, eine weit weniger minimalistische Klavierwalze steigert sich zu einem Gewitter, das die bemerkenswerteste Textzeile dieses Albums abwirft: Ages Of Delirium/Curse Of My Oblivion singt Anja Plaschg und man unterwirft sich der Intensität, mit der sie es zur Schau trägt.
“Marche Funébre” ist das elektronischste Stück und strahlt eine Gefahr aus, die einen an die Romantisierung der prädigitalen Zeit erinnert und die Verteufelung der Wende, die das moderne Zeitalter mit sich bringt. Eine Ambivalenz, die sich im Übrigen wie ein schwarzes Tuch über “Lovetune For Vacuum” zu legen scheint. Die Überwindung der geistigen Schranken und die Verbindung zweier konträrer Geisteshaltungen: Romantik und Digitalismus.
Mit “The Sun”, das schon durch den Myspace-Auftritt einige Fans hatte, wird kurz vor dem Erwachen einer der Höhepunkte von “Lovetune For Vacuum”serviert. Alle Anspannung entlädt sich in Anbetracht dieses kleinen Meisterwerks, das von einer musikalischen Virtuosität und dem Händchen für Wahnsinnsmelodien zeugt. “DDMMYY” hinterlässt einen dann in einem Zustand völliger Zeitlosigkeit, die, unterfüttert von Industrialbeats, keinerlei stimmliche Orientierung Plaschgs zur Hilfe bekommt. Stattdessen steigert sich das Bratzen und Kratzen der Beats zu einem musikalisch vertonten Exorzismus, der von “Brother Of Sleep” (der Tod?) abgelöst wird. Erst ein Vogelgezwitscher am Ende löst die Illusion auf und stellt die Frage, ob das alles vielleicht nur Einbildung war. All die Gedanken, Verbindungen, die Hoffnung und die Melancholie, die ins nichts führte, war das nun real? Dann drückt man “Play” und das Ganze bitte nochmal.
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