Rezension

Rocky Votolato

The Brag & Cuss


Highlights: Red Dragon Wishes // The Blue Rose // Silver Trees
Genre: Singer/Songwriter // Folk
Sounds Like: Ryan Adams // Nick Drake // Pete Yorn

VÖ: 15.02.2008

Nicht erst durch die Genetik wissen wir: Talent liegt häufig in der Familie, wird entweder vererbt oder zu gleichen Teilen auf Geschwister verteilt. So ist allgemein bekannt, dass die Schumi-Brüder beide gut darin sind, einen Rennwagen schnell im Kreis herum zu fahren, Vitali und Vladimir Klitschko gute Boxer sind und Paris und Nikki Hilton….naja, eigentlich gar nichts können. Das Gleiche gilt natürlich auch für musikalische Begabung, was Brüderbands wie die Kings of Leon eindrucksvoll beweisen – dass die zarte Wurzel des angeborenen Talents jedoch manchmal durchaus verschiedenartige Stilpflanzen ans Tageslicht sprießen lassen kann, beweist uns die Familie Votolato.

Denn obwohl Mama Votolato ihre zwei Jungs Cody und Rocky anscheinend beide zu Musikern erzogen hat, hören hier die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Cody ist - beziehungsweise war - nämlich seines Zeichens Gitarrist bei den Blood Brothers, den Königen des kunstvollen Krawalls, deren kürzliche Auflösung noch heute einen tiefen, rauchenden Krater in der Post-Hardcore-Landschaft hinterlässt. Rocky hingegen hat sich seit dem Ende seiner Highschool-Punk-Band "Waxwing" dem Folk verschrieben und veröffentlicht mit "The Brag & Cuss" sein mittlerweile fünftes Soloalbum.

Oder, besser gesagt, sein fünftes Singer/Songwriter-Album - für das neueste Werk hat sich Rocky mit dem komplizierten Nachnamen schließlich zum ersten Mal eine komplette Band ins Studio geholt, die sein musikalisches Spektrum hin und wieder um das altbekannte Triumvirat E-Gitarre/Bass/Schlagzeug sowie Banjo, Mandoline, Klavier und Akkordeon erweitern und für Abwechslung sorgen. So erinnert "Your Darkest Eyes" dank dezenter Piano-Einsätze an Springsteen, während Percussion und Mundharmonika "The Wrong Side Of Reno" und "Lilly White" beinahe countryesk wirken lassen. Die zusätzliche Instrumentierung verdeckt jedoch nicht, dass Votolato dem gängigen Prototyp des Singer/Songwriters mehr denn je entspricht, der sich mit seiner Klampfe auf den Barhocker setzt, verträumt an seinem Publikum vorbei ins Leere schaut und Lieder über Frauen, Whiskey, die schwere Last der Vergangenheit auf den Schultern und den matten Hoffnungsschimmer der Zukunft in den Augen vorträgt. Wer diese noch dazu mit zum Nachdenken anregenden Allegorien schmückt wie der der blauen Rose, die in einer Colaflasche auf der Fensterbank steht ("The Blue Rose"), wird für das goldene Plektrum nominiert.

Kurz gesagt: Im Singer-Songwriter-Genre ist es schwer, sich wirklich hervor zu tun, da die meisten Songs dieses Genres nun einmal im Großen und Ganzen nur das Produkt der wenigen Faktoren Gesang, Text und Gitarrenspiel sind. In allen drei Bereichen erfindet Rocky Votolato natürlich nicht das Rad neu. Jedoch ist er mit einer wunderbar samtenen Stimme gesegnet, die bei höheren Tönen angenehm an Größen wie José González oder Nick Drake erinnert (Beispiel: "Silver Trees"), sowie der seltenen Gabe, oben beschriebene Themen zum 1000. Mal zu besingen, ohne redundant zu erscheinen. Alles Eigenschaften, die Rocky Votolato zu einem Songwriter machen, der für eine stille Untermalung der letzten dunklen Wintertage hervorragend geeignet ist. Ein Talent, das er gerne an seine zwei Kinder vererben darf. Aber das scheint bei den Votolatos ja sowieso ganz gut zu klappen.

Jan Martens

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