Rezension
Real Estate
Days
Highlights: Easy // Out Of Tune // All The Same
Genre: Dream Pop // Lo-Fi // Indie Pop
Sounds Like: Beach Fossils // Kurt Vile // Galaxie 500
VÖ: 14.10.2011
Stell dir vor: Es ist langweilig und du hörst trotzdem hin. In dem Fall hast du entweder a) keinen Musikgeschmack oder b) du hörst eine von den unzähligen Chillwave-Epigonen, die immer noch wie Strandgut in Plattenläden geschwemmt werden. Schlaumeier könnten sich jetzt natürlich stundenlang den Kopf darüber wund kratzen, ob Real Estate überhaupt zu diesem Musikgenre gezählt werden können, schließlich verlassen sie sich weniger auf elektronisches Geplucker als auf eine traditionelle Gitarre-Bass-Schlagzeug-Bandkonstellation. Die erzeugte Atmosphäre hingegen ist vergleichbar. Früher hätte man diese Art von Musik wohl Dream Pop genannt.
Mit „Days“ wagen Real Estate aus New Jersey nun nach ihrem selbstbetitelten Debüt auf dem Kleinlabel Woodsist den Sprung zu Domino Records. Geändert hat sich am Klang der Band glücklicherweise kaum was. Evoziert werden immer noch verregnete Herbstnachmittage, einsame Strandwanderungen und die vorausahnende Wehmut, dass das Leben nach dem Universitätsabschluss doch irgendwie anders abläuft, als geplant. Kurz: Diese Band vertont das ernüchternde, durch die Finanzkrise beschnittene Leben von Mittzwanzigern. Die Möglichkeiten sind eben trotz aller Versprechen doch nicht unbegrenzt.
Glücklicherweise müssen Real Estate nicht auf politisierte Gemeinplätze zurückgreifen, um dieses Gefühl der Resignation zu vertonen. Hier wird immer noch filigran verschachtelte Weltflucht gesponnen. Der Rückzug ins Privatleben als einzig logische Konsequenz. Das perfekte Ineinanderweben der verschiedenen Gitarren verdeutlicht: Hier hatte jemand (zu?) viel Zeit, um an seinen Liedern zu feilen. Nicht eine kräftige Verzerrung, sondern geisterhafter Hall verleiht Liedern wie „Younger Than Yesterday“ die besondere Note.
Man kann diese Art von Musik wie in der Einleitung nun tatsächlich als langweilig bezeichnen. Ja, die Band würde vielleicht sogar zustimmend nicken, soll das Album doch möglichst unaufgeregt klingen. Die einzelnen Lieder wirken deshalb homogen und lassen sich nicht wirklich aus dem Gesamtkontext lösen. Hervorzuheben bleiben trotzdem der im Gegensatz zu den restlichen Songs fast treibend hektische Opener „Easy“ sowie die bereits im Voraus veröffentlichte und immer noch atemberaubende Single „Out Of Tune“. Schlussendlich geht es der Band allerdings weniger um die Produktion von Hitsingles als um die Evokation einer Atmosphäre. Unterstrichen wird diese Herangehensweise durch Texte, die vor allem ein längst verflossen geglaubtes Slackertum als Gegenentwurf zu Leistungsdruck und Versagensängsten zeigen.
Nach rund 40 Minuten mit „Days“ fühlt man sich deshalb auch wie beim Aufwachen aus einem wirren Nachmittagstraum. Irgendwie kann man das, was nur Momente davor erlebt wurde, selten kohärent reproduzieren und trotzdem bleibt das Bauchgefühl, gerade etwas unwirklich Schönes erlebt zu haben. Glücklicherweise besitzen Alben im Gegensatz zu Träumen eine Replay-Funktion. Augen zu und durch.
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